Toxischer Wettbewerb: Wie Filme und Serien Liebesdreiecke instrumentalisieren  

Eine gute Geschichte lebt von reichlich Liebesdrama. Zwei Protagonist:innen verlieben sich ineinander, kommen über Umwege zusammen, bewältigen Abenteuer, dramatische Krisen und am Ende wartet das Happy End. Doch was, wenn aus zwei plötzlich drei werden? Es folgen Eifersucht, Konkurrenz und am Ende der große Liebesbeweis. Wie Liebesdreiecke in Filmen und Serien funktionieren, und warum sie so gefährlich sind

Um ein unterhaltsames Liebesdreieck zu erschaffen, brauchen Drehbuchautor:innen nur wenige Zutaten: Drei Menschen, die in ihren sexuellen Orientierungen miteinander kompatibel sind, chronische Wettbewerbsgedanken und eine unkritische Haltung zur Monogamie als Selbstverständlichkeit. Mit dieser simplen und altbewährten Formel ist der Spannungsbogen garantiert: Für wen wird sich die Heldin entscheiden? Wird der Protagonist die wahre Liebe von der falschen Liebe unterscheiden können? Wessen Gefühle waren nur vorgespielt? 

Ob Bella, Edward und Jakob aus dem Welterfolg “Twilight” oder Kate, Sawyer und Jack aus der Serie “Lost”: Das Prinzip von Liebesdreiecken funktioniert immer. Zwei Parteien streiten sich um die dritte, doch nur eine:r kann gewinnen. Die Konstellation der heterosexuellen Frau, die zwischen zwei Männern steht, ist augenscheinlich etwas beliebter, als die des unentschlossenen Mannes, der sich zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen fühlt. Queere Liebesdreiecke gibt es hingegen eher selten. Dies könnte daran liegen, dass unkonventionelle Filmproduktionen eher bereit sind, monogame Standards in ihren Drehbüchern zu hinterfragen und echte Mehrfachbeziehungen in die Handlungen einzuflechten. Umgesetzt wurde die Erzählung des funktionalen und dauerhaften Liebesdreiecks zum Beispiel in den Netflix Serien “You Me Her”, “Sense 8” oder Oliver Stones Film “Savages”. 

Die beliebte Vorstellung weiblicher Macht

Das Motiv der doppelt begehrten Frau in einem heteronormativen Liebesdreieck ist besonders beliebt. Es bedient eine weit verbreitete Fantasie des weiblichen Publikums. Dies haben sogar wissenschaftliche Studien erwiesen, wie zum Beispiel Justin J. Lehmiller in seinem Buch “Tell Me What You Want” detailliert erläutert. Filme, die weit verbreitete Fantasien und Tabus bedienen, sind oft besonders erfolgreich. Die Zuschauerinnen identifizieren sich mit der Protagonistin und genießen die Vorstellung, von zwei Männern umworben und begehrt zu werden. Mit aller Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die damit einhergeht (und die den Zuschauerinnen womöglich in ihrem Leben fehlt). 

Durch die Position der doppelt umworbenen Frau entsteht außerdem eine Vorstellung von weiblicher Macht. Die Protagonistin ist derart überwältigend, dass die Männer ihren Gefühlen gänzlich ausgeliefert sind und nicht anders können, als sich ihr zu ergeben. Sie ist noch besonderer, noch liebenswerter und noch unwiderstehlicher als Frauen, die nur einen Verehrer haben. Denn eine patriarchale Gesellschaft neigt nach wie vor dazu, den Wert einer Frau am männlichen Blick festzumachen. Die Protagonistin wirkt wegen ihrer Anziehungskraft auf Männer jedoch nicht unsympathisch, sondern vielmehr hilflos, passiv und an der Situation unschuldig. Sie kann aber gleichzeitig über Nähe und Distanz entscheiden. Letztendlich hat sie die Macht, Herzen zu brechen und das Liebesdreieck aufzulösen. Ohne, dass man ihr deswegen böse sein könnte. Eine reizvolle Vorstellung. 


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