Risiko: Gemeinsame Autofahrten 

Die meisten Paare wissen: Gemeinsame Autofahrten sind heikel. In der Regel ist der Streit vorprogrammiert. Warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?  

Im Auto lassen sich viele schöne Dinge miteinander erleben: Händchenhalten, der erste Kuss, im Autokino romantisch einen Film schauen und ganz klar: Sex natürlich, auch wenn es einige Akrobatik erfordert. Was aber die meisten Paare im Auto tatsächlich machen, ist: Streiten. Gemeinsame Autofahrten scheiden die Gemüter und die Beziehung wird auf eine harte Probe gestellt. Kommentiert und benörgelt kann dabei vieles werden: der Fahrstil ganz generell, die Geschwindigkeit, zu dichtes Auffahren oder Drängeln, Einparken, häufige Spurwechsel, zu eng an anderen Autos oder der Bordsteinkante vorbeifahren oder die Route und Streckenführung. Nicht zuletzt können natürlich auch die klimatischen und unterhaltenden Bedingungen im Fahrgastraum zum Konfliktthema werden. Man denke an: Heizung zu hoch oder zu niedrig eingestellt. Klimaanlage aus oder ein. Musik laut oder leise. Welcher Radiosender oder doch lieber Hörbuch? 

Großes Risiko: Gemeinsam Autofahren 

Dass Paare ein großes Risiko eingehen, wenn sie sich gemeinsam ins Auto setzten, ist Allgemeinwissen. Der Konflikt beginnt in der Regel schon bevor beide Autotüren zugeschlagen sind. Während sie wieder ewig braucht, bis beide endlich loskönnen, hat er schon die Klimaanlage auf Minusgrade eingestellt und verschickt noch schnell beim Ausparken die letzte Nachricht. Sie krallt sich schon mal vorsorglich mit einem lauten Seufzer in den Türgriff, während er einhändig das Lenkrad dreht und seinen Blick stur auf den Bordcomputer statt auf die Straße richtet. Das kann nicht gut gehen. Geht auch nicht gut. Und das unabhängig davon, wer am Steuer sitzt. Deshalb sind häufige Fahrerwechsel zwar ein netter Versuch, die Wogen zu glätten. Richtig weiterhelfen wird dieser paartherapeutische Ratschlag aber selten. 

Sie fahren durch die Stadt, der oder die Beifahrer*in sagt „Die Ampel ist gleich Rot“, während der oder die Fahrer*in mit einem schnellen Spurwechsel und aufs Gas tretend reagiert, um es noch darüber zu schaffen. Der oder die Beifahrer*in atmet hörbar aus. Wer wie in typischen Verkehrssituationen reagiert, mag unterschiedlich sein und laut Umfragen tendenziell recht klischeehaft (sie eher ängstlich und vorsichtig, er eher provokant und risikofreudig), ist aber für den folgenden Streit unerheblich. Denn egal wer fährt und wer nur daneben sitzt, Anlass zu Kritik und Konflikt gibt es so oder so.  

Keine kommunikative Normalsituation 

Warum nur bekommen wir uns bei gemeinsamen Autofahrten immer in die Haare? Da gibt es das klassische Argument: Kaum irgendwo anders sitzen wir so lange so eng aufeinander, ohne die Möglichkeit ausweichen oder ohne sich, wie in einem Gespräch am Küchentisch, in die Augen schauen und die Mimik und Gestik des anderen als Interpretationshilfe beachten zu können. Keine kommunikative Normalsituation also, deshalb grundsätzlich nicht ganz einfach. Es ließe sich einwenden, man könne Musik oder ein Hörbuch anschalten. Schwierige Themen könnte man so grundsätzlich aus dieser Situation heraushalten. Letzteres sollte man zwar ganz sicher, aber es ist gar nicht das eigentliche Problem. Das Problem sind Fahrer*in und Beifahrer*in in ihrer jeweiligen Situation, das System „gemeinsames Autofahren“ als solches.  

Ehen werden im Himmel geschlossen, im Auto gehen sie auseinander 

Der Soziologe Niklas Luhmann brachte es wie folgt auf den Punkt: „Die Ehen werden im Himmel geschlossen, im Auto gehen sie auseinander. Denn derjenige, der am Steuer sitzt, richtet sich nach der Situation und fährt, wie er meint, auf Grund seines besten Könnens; aber der, der mitfährt und ihn beobachtet, fühlt sich durch die Fahrweise behandelt, führt sie auf Eigenschaften des Fahrers zurück. Er kann nur in einer Weise handeln, nämlich kommentieren und kritisieren; und es ist wenig wahrscheinlich, daß er dabei die Zustimmung des Fahrers findet.“ Es ist also eine Sache der Perspektive und diese Situation wird laut Luhmann bei Intimbeziehungen „zum Test auf die Frage: handelt er so, dass er meine (und nicht seine) Welt zu Grunde legt?“.  


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