Nichts schenken ist auch keine Lösung

Geschenkeverweigerer? Nicht mit mir, sagt unsere Autorin Christiane Lénard und hält ein flammendes Plädoyer fürs Schenken.

„Welche Verführung zu schenken!“*

Es ist kein Geheimwissen, dass Schenken immer zwei Seiten hat. Die der Beschenkten und der Schenkenden. Wenn letztere es clever anstellen, ist es der klassische Fall von „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“:  Effektiv und gleichzeitig subtil. Jemanden eine Freude machen und ein gutes Gefühl dabei haben. Es ist keine selbstlose Angelegenheit. Das ist es nur in den Fällen einer anonymen Spende. Ansonsten geht es immer um beide im Akt des Schenkens. Und gerade das macht es ja so bedeutsam. Und unverzichtbar. Ohne Geschenke berauben wir uns einer super Möglichkeit, eine Verbindung herzustellen. 

Die Wichtigkeit eines Geschenks nimmt mit der Bedeutung zu, die eine Person für uns hat. Es ist ein Angebot für Nähe. Und damit sollte es uns nicht schwerfallen, größer zu denken. Die rein materialistische Ebene zu verlassen und in den Dimensionen von Aufmerksamkeit oder nennen wir es besser Achtsamkeit zu denken. Achtsamkeit ist deshalb ein so passender Begriff, weil es gerade zur trendigen Masche der Selbstoptimierung geworden ist. Warum nicht mal in eine andere Stoßrichtung denken und trotzdem etwas davon haben? 

Geschenke sollten so spezifisch wie nur möglich sein

Ein Geschenk sollte die*denjenigen feiern, für die oder den es bestimmt ist und auch die Beziehung, die euch verbindet. Es ist also in höchstem Maße spezifisch, so spezifisch wie die zu beschenkende Person und eure Beziehung. Deshalb sind auch Geschenketipps fragwürdig und können allenfalls als Anregung dienen, weiter zu denken und Verknüpfungen zu finden. Und genau darum geht es. Um die achtsame Wahrnehmung der anderen geliebten Person, um das Herausarbeiten seiner Besonderheit oder des Spezifischen eurer Liebe. Und das braucht Zeit.

Zeit, die ihr euch damit schenkt, am ersten Weihnachtstag bereits damit anzufangen, aufmerksam das Verhaltensrepertoire des anderen zu studieren, seine Schrulligkeiten und seltsamsten Wünsche zu ergründen. Und Zeit soll hier nicht im Sinne von Stunde um Stunde gezählt werden, sondern als ‚solange es eben braucht‘, um Eindrücke über den anderen anzuhäufen.

Auch hier ist wieder Achtsamkeit im Spiel

Deklariert es zu einem gemeinsamen Spiel, euch am nächsten Heiligabend die Entdeckungen übereinander zu präsentieren, zum Beispiel in Kleinigkeiten, die ihr zufällig irgendwo gefunden habt, als ihr zusammen unterwegs wart; in Fotos, die ihr von Situationen macht, die euch berührt haben. Über das Jahr kann sich da einiges ansammeln und so gedacht, sind wir auch weg vom vulgären Konsum und tauchen ein in eine Entdeckungsreise. Das ist so wirksam und so anstrengend wie eine Paartherapie. Nur freudvoller.   

Logischerweise bedeutet es aber auch, dass man es vermasselt hat, wenn man in der Vorweihnachtswoche damit anfängt. Das kann nur in einem verzweifelten Kaufakt enden, der das Wesentliche des Schenkens verkennt. Dann lieber kein Geschenk. Was das für eure Beziehung bedeutet? Nun ja. Aber immerhin wäre es ehrlich. Könnte allerdings schwierige Gespräche zur Folge haben. Das hätte ein Verlegenheitsgeschenk freilich auch. Kommt also häufig aufs Gleiche raus.

„Nur für die Kinder“ ist auch nicht plausibel

Einige Paare suchen die Lösung darin, nur den Kindern etwas zu schenken. Auch das sehe ich kritisch, denn mir ist bis heute nicht klar, worin die Botschaft dieser Vorgehensweise liegen könnte. Seht gut her, ihr lieben Kleinen, und genießt es jetzt, denn wenn ihr groß seid, ist es vorbei mit Geschenken, Freude und Genuss? Warum sollte der Weihnachtsmann, wenn die Kinder noch an ihn glauben, nur Kindern etwas bringen? Zu wenig Platz auf dem Schlitten, zu viel zu tun gehabt, Eltern nicht artig gewesen?

Und das Lernen von Verzicht am Modell (der Eltern) auf dem Abend im Jahr abzuladen, an dem es ausdrücklich um das Schenken von Liebe geht, ist auch irgendwie am Thema vorbei. Da bieten sich über das Jahr verteilt tagtäglich hunderte Gelegenheiten, dem quengelnden Kind an der Supermarktkasse eben nicht sofort den bunten Lolli zu kaufen, damit die liebe Seele Ruh hat oder das unachtsam liegen gelassene Spielzeug sofort per Prime-Versand am Abend ersetzt zu haben. 


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