So viele von euch machten schon einmal die Erfahrung einer toxischen Beziehung. Wir wollten nun von denen hören, die sagen: “Ich war selbst der oder die toxische Beziehungspartner:in.” Danke an alle, die den Mut hatten, ihre eigenen Anteile an der Beziehungs-Dynamik zu reflektieren und uns zu erzählen.
Toxischer Beziehungspartner aus Unerfahrenheit
Viele berichteten, im Nachhinein würden sie sich für Verhaltensweisen in der Jugend entschuldigen wollen. Und eine Leserin schrieb uns, obwohl sie sich gerne entschuldigen würde, wagt sie es nicht, sich nochmals bei ihrem Ex-Partner zu melden, um keine alten Wunden aufzureißen.
“In meiner späten Teenager-Zeit war ich mit einem Jungen zusammen, der mich sehr geliebt hat. Leider hat er die volle Kraft von Depressionen, Egoismus, Selbstmitleid und der Unfähigkeit zur Liebe abbekommen. Ich habe ihm sehr weh getan und ich fürchte, ich habe ihn ziemlich geschädigt. Irgendwann hat er den Absprung geschafft und den Kontakt abgebrochen. Ich habe dann irgendwann erkannt, dass dies das Beste für ihn ist und habe mir geschworen, nie wieder jemandem so weh zu tun. Danach habe ich mich um eine psychische Behandlung gekümmert. Manchmal habe ich jetzt noch das Bedürfnis, mich bei ihm zu entschuldigen. Aber natürlich werde ich ihn nie wieder kontaktieren. Das tue ich ihm nicht an.“
Gegenseitige Abhängigkeiten erkennen
Eine Dynamik wird immer durch beide Partner beeinflusst, schrieben viele Leser:innen. Sie wollten jetzt nicht nur sich als toxisch bezeichnen, aber der eigene Anteil an vielleicht gegenseitigen Abhängigkeiten sollte untersucht werden.
“Toxische Beziehungen bestehen immer aus gegenseitigen Abhängigkeiten, Mustern, Bedürfnissen. Die Tätermentalität – der andere ist schuld und ich bin ein Engel – bringt rein gar nichts. Das “Opfer” eines toxischen Partners gibt genau den Raum für diese Vergiftung. Ich habe zwar etwas gebraucht, um nicht mehr die alleinige Schuld an meinem Drama auf meinen manipulativen und gewalttätigen Partner zu schieben, aber: als ich meine eigenen Muster verstanden habe, konnte ich heulen. Für diesen Mann war ich sicherlich genauso toxisch wie er für mich. Das bedeutet nicht (!!!!), dass sein Verhalten in Ordnung war. Es bedeutet, dass ich Verantwortung für mein eigenes Leben und Erleben übernehme.“
Eigene Anteile überprüfen
Viele Leser:innen betonten die Beidseitigkeit ihrer toxischen Erfahrung. Obwohl gewiss in vielen Fällen von Manipulation, Betrug und Täuschung klar ist, von wem die Aggression ausgeht, so gibt es eben doch auch die Fälle, in denen das nicht so deutlich ist.
“Eigenverantwortung ist genau der Punkt. Die Toxizität kann in meinen Augen nur beidseitig sein. Sicherlich ist einer mehr und der andere vielleicht weniger toxisch, vielleicht “täuscht” das auch. Bei meinem Ex war ich der Meinung, dass er der toxische, narzisstische Mann und ich das Opfer bin. Bis ich jetzt langsam bei einem neuen Partner begreife, dass ich leider mehr von diesen Seiten in mir trage, als ich das bewusst wahrgenommen habe. Jetzt versuche ich, daran zu arbeiten.”
Wollen wir eine solche Frage eigentlich ehrlich beantworten?
Wie eine Leserin schrieb: Wollen wir diese Frage eigentlich ehrlich beantworten? Möglicherweise nicht sofort. Denn häufig ist ja der Trennung erst einmal ein langer, schmerzhafter Prozess vorangegangen, von dem Betroffene erst einmal heilen müssen. Selbstvorwürfe in dieser Phase reißen die Wunden möglicherweise immer wieder auf. Gleichzeitig liegt in der Aufarbeitung auch eine große Chance: “Der Moment, in dem wir uns mit dieser Frage ehrlich und wertfrei beschäftigen, gibt uns die Chance unser nächstes Handeln zu beeinflussen.“
Und das bedeutet, die oder der bessere Partner:in in der Zukunft zu werden. Diejenige oder derjenige, die wir auch selbst sein wollen in einer Beziehung. Zum Lernen gehört, Fehler zu machen. Möglich, dass uns andere diese niemals verzeihen können, weil wir sie zu sehr verletzt haben. Doch mit den eigenen Fehlern Frieden zu schließen, um eben besser zu werden, um uns zu entwickeln, um die bestmöglichen Partner zu werden, die wir sein können – dazu ist Selbsterkenntnis unverzichtbar.