Sie/Er spielt immer das Opfer. Was soll ich tun?

Woran erkenne ich “Opfertypen”? Welche (unbewussten) Absichten verfolgen sie mit ihrem Verhalten und wie gehe ich mit ewig Leidtragenden um? Unsere Autorin Christiane Lénard klärt auf.

Es gibt Menschen, die sehen sich immer als Opfer. Wir sprechen hier nicht von den wirklichen Opfern, z.B. von Gewalt, Straftaten oder Unfällen. Sondern von Opfertypen, also den Menschen, die sich grundsätzlich von anderen hintergangen, ausgenutzt oder benachteiligt fühlen. Die Anlässe dafür sind für Außenstehende oft banal oder zumindest ist nicht nachvollziehbar, warum sie eine derartige Reaktion hervorrufen. Schuld für ihre schreckliche Lage sind immer die anderen. Der Partner, Freunde, der Arbeitgeber, die Kollegen, die Eltern, die Umstände, das System. 

Sie lamentieren und beklagen sich, suhlen sich in Selbstmitleid und übernehmen keine Verantwortung. Diese Opfertypen werden von ihrem Umfeld als nervend, anstrengend und ermüdend erlebt. Sie machen einfach keinen Spaß. Mit ihrem Hang zum Drama erreichen sie genau das Gegenteil vom dem, was sie unbewusst zu erreichen versuchen. Statt der gewünschten positiv zugewandten Aufmerksamkeit, ernten sie Unverständnis und Ablehnung. Statt Zuspruch und Mitleid zu erhalten, werden sie nicht ernst genommen und ignoriert. Die dauernde Opferrolle macht gänzlich unattraktiv. Niemand hält es lange mit der ewigen Dramaqueen und dem Daueropfer aus.  

Arbeitsplatz als Bühne 

Vermutlich kennt jede/r von euch so ein Opfer. Der Arbeitsplatz ist eine gute Bühne für diese Art Aufführung. Eine typische Situation könnte sich so abspielen: Du kommst gut gelaunt ins Büro und stellst fest, dass Deine Kollegin, mit der du in einer knappen Stunde zusammen eine Präsentation halten sollst, ihren Teil der Vorbereitung noch nicht abgeschlossen hat. Wie immer gerät sie unter Druck. Aber anstatt jetzt ranzuklotzen, um die letzten Handgriffe schnell zu erledigen, ergießt sie sich in Erklärungen, Ausreden und Schuldzuweisungen.

Sie hätte die Folien ja schon längst fertig gehabt, hätte eine andere Kollegin nicht so lange mit den Zahlen auf sich warten lassen. Außerdem hat sie seit Tagen Kopfschmerzen, weil bei ihr zuhause gerade Handwerker arbeiten. Die machen einen unzumutbaren Lärm, der für ihre empfindlichen Ohren eine enorme Belastung sei. Überhaupt hätte man ihr ja wieder einmal den viel aufwändigeren Präsentationsteil überlassen und sie hätte es, weil sie immer so nett zu allen ist, auf sich genommen. Aber letztlich wird sie immer nur ausgenutzt.  

Vielleicht kennst du Leute, die so ticken und immer wieder dramatisch in Szene setzen, welches schwere Los ihnen zuteil wurde. Die sich ständig beklagen und sich von anderen ausgenutzt fühlen. Diese Menschen sind nicht leicht aus ihrer Rolle zu bringen und nicht leicht zu ertragen. Woran erkenne ich, dass ich es mit einem solchen Opfertypen zu tun habe? 

Wie erkenne ich „Opfertypen“? 

Es gibt einige wiederkehrende Verhaltensmuster, an denen ich erkenne, ob ich es mit einem Opfertypen zu tun habe. Wie oben erwähnt, geht es in diesem Text ausschließlich um Menschen, die sich ständig als Opfer ihrer Umwelt sehen und fühlen. Das muss mit einem tatsächlichen erlittenen Unrecht oder Schaden durch die Tat eines anderen (im strafrechtlichen Sinne) erst einmal nichts zu tun haben. Wir wollen hier nur von Personen sprechen, die sich generell als Opfer fühlen.  

Dieser Persönlichkeitstyp tendiert dazu: 

  • alles (auch Banalitäten) persönlich zu nehmen 
  • den anderen die Schuld für die eigene Lage zuzuschreiben 
  • keine Verantwortung zu übernehmen 
  • für alles Ausreden zu finden 
  • sich in Selbstmitleid zu baden, zu lamentieren und sich zu beklagen
  • zu dramatisieren   
  • sich als hilflos zu erleben, von anderen ausgenutzt und ungerecht behandelt zu fühlen 
  • sich mit anderen zu vergleichen und dabei (gefühlt) immer schlechter abzuschneiden 
  • Vergeltungsgedanken für die empfunden Benachteiligung zu hegen 
  • zu lästern 

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