Du machst mir Angst, weil du mir zu nett bist

Der wahre Wert der Selbstliebe. Gastautor Leonard Anders, Autor des Buches „Ein Narzisst packt aus“, schreibt über seine Definition des Wortes „nett“. Und nein, nett ist für ihn nicht „die kleine Schwester von Sch …“

„Du bist zu nett, prägte mich einst, war dieser Spruch doch einmal die Begründung einer Ex-Freundin von mir, sich von mir zu trennen. Auch meinte sie damals, dass sie es nur von Kumpels oder schwulen Männern kennt, dass diese so nett sind. Ihr fehlte bei mir der Bumms. Ich war ihr zu langweilig.

Als Kind war ich oft nur ein Lückenbüßer, ein Tröster, im Volksmund auch bester Freund, Weichei, Softie und (abwertend) Waschlappen genannt. Ein Kerl, der gut zum Reden ist, der einen versteht, mit dem man offen über seine Gefühle reden kann, der einen tröstet und der dies auch in altruistischer Art und Weise tut.

Ich gebe aber zu, dass ich mir irgendwann auch gewünscht habe, etwas zurückzubekommen. Ich machte mir Hoffnungen, welche sich seltenst erfüllten und am Ende bekam ich nicht, was ich mir wünschte, sondern das, was ich selber aussendete. Ich kümmerte mich früher stets um die Bedürfnisse anderer. Und so war mein Weltbild geprägt. Dieses war mein Beuteschema. Ich suchte mir unbewusst Frauen, die noch bedürftiger waren als ich, um meine eigene Bedürftigkeit nicht zu spüren.

Meine Glaubenssätze waren also folglich auch die, dass ich es nicht verdient habe glücklich zu sein und ebenso ging ich davon aus, dass mir niemand helfen kann. Damit kann man eine gesellschaftliche Annahme über Narzissten bestätigen: ein Narzisst ist bedürftig. Um diese Bedürftigkeit nicht zu spüren, „sucht“ und „findet“ er überwiegend genauso bedürftige Frauen. Eine Frau, die selbstständig war und ihre Bedürfnisse selbst erfüllen konnte, sich also selber zu helfen wusste, die dadurch „Selbstbewusstsein“ ausstrahlte, interessierte mich nicht – einfach weil diese mein Bedürfnis, noch Bedürftigeren zu helfen, nicht befriedigen konnte.

Das Schlüssel-Schloss Prinzip bewahrheitete sich. Ich landete schlussendlich bei Frauen, die dasselbe Weltbild hatten. Ich lernte überwiegend Frauen kennen, die sich ebenfalls um die Bedürfnisse anderer kümmerten. Und so missbrauchten wir uns gegenseitig. Keiner wollte die Hilfe des anderen, half aber dem anderen und warf demjenigen dann sogar Undankbarkeit vor.

Und wer trägt nun Schuld daran? Niemand!


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