Klimawandel, Coronakrise und Co.: “Die junge Generation tut mir leid”

Die Corona-Pandemie, das Hochwasser in Deutschland, der Klimawandel, die wachsende Polarisierung der Gesellschaft – das sind Themen, die unsere Autorin Nadine vor Kurzem mit ihrer Oma besprochen hat. Das Fazit der alten Dame? Die junge Generation tue ihr leid…

Regelmäßig telefoniere ich mit meiner Oma. Sie ist die letzte aus ihrer Generation, die ich noch habe. Es ist immer wieder spannend mich mit mir auszutauschen und ich zehre sehr davon. Das, was sie sagt, wirkt oft sehr lange nach und ist gleichzeitig echt inspirierend. Ich denke, dass das vor allem an ihrem fortgeschrittenen Alter liegt. Sie wirkt sehr ruhig und abgeklärt auf mich. Sie hat einen Mann überlebt und die letzten Jahre aufopferungsvoll gepflegt, nachdem sie ihm zuvor drei Kinder geschenkt und diese aufgezogen hat.  

Ihre Kindheit verbrachte sie in Nachkriegsdeutschland und Teilen von Frankreich. Sie heiratete früh und zog von der Großstadt in die Kleinstadt. Sie hat also einiges erlebt. Wenn wir telefonieren, reden wir über alles, was gerade so passiert, wie es uns damit geht und was wir für Gedanken diesbezüglich haben. Bei ihr kann ich einfach ehrlich sein und sagen, was ich denke, auch wenn ich weiß, dass ich damit zumindest in unserer Familie öfters allein dastehe. Sie akzeptiert es und wertet es nicht – im Gegenteil. Manchmal denkt sie insgeheim genauso und lacht. Das mag ich. Sie hat keine Zeit mehr für Oberflächliches und nimmt viel mit Humor – teilweise ist sie sehr sarkastisch, aber das finde ich besonders witzig.  

Neue Normalität

Als wir letzten Sonntag telefonierten, sprachen wir über das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz. Ich wollte wissen, ob es allen gut geht und mit wem sie bisher gesprochen hat. Unsere Familie lebt unter anderem in manchen der betroffenen Regionen. Sie wirkte sehr ruhig und hatte bereits für sich akzeptiert, dass das ab jetzt normal ist und wir noch mehr solche Unwetterkatastrophen erleben werden. Der Klimawandel sei schuld, besser gesagt: wir Menschen, die ihn verursachen.  

Ich erzählte ihr, dass ich die letzten Tage darüber nachgedacht hatte, wie mutig es eigentlich gerade ist, ein Kind in die Welt zu setzen. Zumindest fühlt es sich für mich so an. Vielleicht auch, weil ich mich seit geraumer Zeit ein wenig bedroht fühle. Versteht mich nicht falsch, aber seit Beginn der Pandemie ist einfach nichts mehr so wie es einmal war. Wir leben nun seit 1,5 Jahren in einer neuen Normalität, die von Wellen und Inzidenzzahlen bestimmt ist. Die Schlagzeilen werden tagtäglich von Corona dominiert. Das ist anstrengend und zehrend. Reisefreiheit ja, Reisefreiheit nein. Lockdown/Shutdown/Übergangslockdown… blablabla.

Es nervt so hart und das darf Mensch auch mal sagen. Gerade als Selbstständige herrscht dann noch weniger Planungssicherheit und auch existenzieller Druck. Und vielen, sehr vielen anderen geht es genauso oder weitaus schlimmer. Das ist mir bewusst.  

Sie ist Jahrgang 1936. Ich war sprachlos. Und jetzt nachdenklich

Was ich eigentlich damit sagen will: Meine Oma hat den Gedanken verstanden und ihr Fazit war schließlich, dass „meine Generation“ ihr leidtut. Denn die Pandemie hat, dank Lockdown, Isolation und Einsamkeit, aus vielen Menschen das Schlimmste herausgeholt. Die Gesellschaft ist – zumindest fühlt es sich auf Social Media so an – gespalten und es wird nur noch angegriffen, kritisiert, verhöhnt, beleidigt und alles totdiskutiert. Gefühlt jede:r gegen jede:n. Das ist echt schade, wo wir doch gerade in Zeiten der Krise näher aneinanderrücken sollten.  

Das hätte Mensch jetzt wieder wunderbar beobachten können. Das Hochwasser und seine verheerenden Folgen lösten eine Welle der Solidarität aus. Das hat meine Oma besonders hervorgehoben, den Zusammenhalt. Für sie war das ständige Alleinsein im Herbst/Winter und Frühjahr wirklich eine Qual. Sie hat ihre Freundinnen vermisst und uns – ihre Familie. Vielen alten Menschen ging es so und leider ist es auch weiterhin der Fall. Dank Impfstoff konnte etwas Normalität einkehren, während in den Nachrichten bereits von der nächsten Welle im Herbst gesprochen wird.  

Delta is coming!

Und dann auch noch Wahlen im September. Das Wetter hält auch noch einige Überraschungen bereit, wie man am Wochenende (18./19. Juli) dann in Bayern und Sachsen gesehen hat. Ach ja, und auch Nachbarländer wie die Niederlande, Luxemburg, Belgien und die Schweiz sind betroffen. Von den Waldbränden in den USA und Tornados in Tschechien ganz zu schweigen.  

Früher habe ich das Argument von Bekannten „Wir sind eh zu viel, ich kriege keine Kinder“ belächelt. Wenn ich jetzt gefragt werde, ob ich nicht langsam mal darüber nachdenke Kinder zu kriegen, antworte ich meist: „Wieso? Ich weiß doch gerade nicht mal, wann ich wieder reisen oder ohne schlechtes Gewissen mehrere Menschen sehen, geschweige denn meinen „alten/normalen Alltag“ bestreiten darf.“  

Das konnte sie sehr gut verstehen. Sie meinte auch, dass sie selbst ihr Leben gelebt hat und schon alt ist, aber ihr wäre auch klar, dass gerade nichts sicher ist. Irgendwie komisch, dass von einer Frau zu hören, die vor dem Zweiten Weltkrieg geboren ist und ihre Jugend in einem zerstörten Land während des Wideraufbaus verbracht hat.  


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