Wenn die Liebe sich langsam einschleicht

Es braucht nur Sympathie und gemeinsame Zeit, damit sich zwei Menschen verlieben können. Das behaupten zahlreiche Studien. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Chance riesig ist, dass sich in einer guten Freundschaft einer in den anderen verliebt. Liebesforscherin Birgit Ehrenberg über ein Paar, bei dem es nicht platonisch blieb.

Neulich gab es wieder einen Riss, einen, der Hanna noch viel mehr aufgewühlt hat als die Geschichte mit dem Geburtstag. Sie war mit Fritz spazieren, er erzählte auf seine ganz eigene Weise, die Hanna so schätzt. Sehr lebhaft, mit Händen und Füßen. Plötzlich schoss es ihr durch den Kopf, dass sie ihn gern küssen würde. Richtig küssen. Sie hatte das Gefühl, dass Fritz das merken müsste, was ihr durch den Kopf geht. Für sie war das wie eine starke Energie, die plötzlich zwischen ihnen war 

Wie wäre es mit Fritz zu schlafen?

„Aber er hat wohl nichts gespürt“, sagt Hanna fast traurig. „Vielleicht wollte er es auch nicht spüren, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Am Abend ist diese Sehnsucht nach einem Kuss noch mal lebendig in mir geworden, und ich habe mir zum ersten Mal ausgemalt, wie es wäre, mit Fritz zu schlafen. Es war nicht wie sonst, wenn ich verliebt gewesen bin. Es kam schon vom Kopf her, das Begehren, aber es war eine mächtige Emotion, die mich echt überwältigt hat. Mir kam es in dem Moment komplett selbstverständlich vor, dass ich Fritz begehre. Wo wir uns so toll verstehen, wo wir Seelenverwandte sind.

Ja, vielleicht bin ich seine seelische Geliebte, vielleicht hat meine Freundin recht. Und ich lebe allein, mir fehlt Nähe, muss ich nicht einfach eins und eins zusammenzählen? Eine Single-Frau ist oft mit einem wunderbaren Mann zusammen, mit dem sie wunderbar reden kann und liegt jede Nacht allein im Bett? Mache ich mir nicht wirklich etwas vor? Will ich Fritz einfach als Mann? Hegel hin und Hegel her? Muss ich Fritz reinen Wein einschenken? Womöglich würde er sich von mir distanzieren. Womöglich empfindet er aber doch das Gleiche wie ich und möchte auch mit mir ins Bett? 

Er sagt, er findet mich schön

Wenn man das von sich selbst sagen darf, ich bin eine attraktive Frau, das hat Fritz mir mehrfach gesagt. Wie wir darauf gekommen sind? Er macht mir schon Komplimente, das gehört zu unserer Kommunikation dazu. Wir reden nicht wie Kollegen über unsere Themen, sondern wie zwei Menschen, die sich mögen. Und Fritz findet, dass es selten ist, dass eine Frau klug ist und gleichermaßen schön, wie ich. Bei Männern wäre das auch eher eine Ausnahmeerscheinung, sagt er. 

Mich beschäftigt, ob es stimmt, dass Frauen und Männer einfach nicht Freunde sein können, ob sich also exakt das in meinem Leben ereignet, dass eine Freundschaft an der Geschlechtlichkeit scheitert. Ich würde das im Prinzip verneinen. Ich bin sicher, dass Frauen und Männer über viele Jahre Freunde sein können, auch für immer. Vermutlich stehe ich mir hier selbst im Weg, weil mich mein Bindungswunsch dominiert. Vielleicht ist es meine Bedürftigkeit, bis vor kurzem habe ich mich allerdings gar nicht als bedürftig empfunden. Was läuft in meinem Unbewussten ab? Was mir bewusst ist: dass Fritz sehr wohl ein potentieller Partner für mich ist, sein könnte. 


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