Wenn die Liebe sich langsam einschleicht

Es braucht nur Sympathie und gemeinsame Zeit, damit sich zwei Menschen verlieben können. Das behaupten zahlreiche Studien. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Chance riesig ist, dass sich in einer guten Freundschaft einer in den anderen verliebt. Liebesforscherin Birgit Ehrenberg über ein Paar, bei dem es nicht platonisch blieb.

Fritz (45) und Hanna (42) sind ein “Paar” der besonderen Art. Sie führen eine sogenannte Abschöpfbeziehung, das heißt: Beide kommen auf ihre Kosten, sie schöpfen aus dem Zusammensein das ab, was sie jeweils brauchen. Das klappt vielleicht deshalb so gut, weil sie kein Liebespaar sind. Man könnte ihre Beziehung als eine „freundschaftliche Interessengemeinschaft“ bezeichnen.

Fritz ist verheiratet, sehr glücklich verheiratet, das sagt er im Brustton der Überzeugung und mit einem Leuchten in den Augen. Seine Frau Iris und er sind seit 14 Jahren zusammen. Sie haben drei Kinder, Haus, Hof und Hund. Es stimmt im Alltag, es stimmt im Bett. Es ist Liebe. Hanna ist Single, sie ist seit drei Jahren geschieden, kinderlos. Sie ist nicht unglücklich, sie kommt zurecht, aber sie sehnt sich durchaus nach einem Partner für das ganze Lebensprogramm. 

Fritz und sie teilen die Leidenschaft für Philosophie. Sie haben sich bei einem Seminar über Hegel kennengelernt und tauschen sich seither rege aus. Sie unternehmen lange Spaziergänge und reden über die Texte, die sie gelesen haben. Se schreiben sich Mails, in denen sie ihre Themen verhandeln. 

Perfektes Dreier-Match?

Es läuft alles korrekt ab bei Fritz und Hanna, es passiert nichts zwischen ihnen, was nicht passieren dürfte, alles ist rein intellektuell und insofern rein. Iris muss nicht eifersüchtig sein, sie ist es auch nicht. Sie war es am Anfang, da fand sie die Beziehung zwischen ihrem Mann und Hanna suspekt, doch Fritz konnte ihr alle Zweifel nehmen. Er, Iris und Hanna sind sogar zusammen essen gegangen, damit Iris weiß, mit wem Fritz sich über Hegel unterhält   – und dass Hanna eine vertrauenswürdige Frau ist. Das perfekte Match für drei? Bis jetzt ja, doch in letzter Zeit fühlt sich Hanna nach dem Austausch mit Fritz manchmal schlecht.

Sie merkt, was ihr fehlt, wenn sie Fritz um sich hat. Sie merkt es noch deutlicher, wenn sie wieder allein ist und er bei seiner Familie. Sie stellt sich vor, dass Fritz ihr Mann wäre, mit dem sie nicht nur über Hegel sprechen kann, sondern auch über ihre gemeinsame Vergangenheit, die gemeinsame Gegenwart und die gemeinsame Zukunft. Liebe eben. Sie hat ein schlechtes Gewissen gegenüber Iris und überlegt, ob sie es ganz sein lässt mit Fritz. Ob sie lieber auf das, was sie von Fritz bekommt, verzichtet, weil es eben nicht mehr sein kann. Fritz ahnt nicht, was in ihr vorgeht. 


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