Die Mauer des Schweigens durchbrechen

Den Mut zu haben, den Finger in die Wunde zu legen

Heute weiß ich, dass eine Genesung nur durch reden möglich ist. Es fällt mir immer noch schwer, Kritik nicht als Zurückweisung zu bewerten. In einer Beziehung gebe ich mir Mühe, zuzuhören, ohne zu bewerten oder mich gekränkt zu fühlen. Mich öfters in die Lage des Anderen zu versetzen, die Perspektive zu wechseln. Mich spüren und mich nicht erneut verstellen. Das bedeutet aber auch, den Mut zu haben, den Finger in die Wunde zu legen. Ich kämpfe jedes Mal mit meinen Verlustängsten, mit dem Drang, Probleme unter den Teppich zu kehren. Ich weiß sehr genau, dass ich diesen Weg für immer verlassen möchte, aber er scheint mir noch sehr vertraut. Was mir hilft: neue und positive Erfahrungen zu sammeln. Gefühle zu äußern und meiner Partnerin eine Chance zu geben, ihren Standpunkt zu erklären.

Ich gestehe, dass ich meistens via WhatsApp kommuniziere und deshalb Missverständnisse vorprogrammiert sind. Besonders wenn es um Konflikte geht, sind Messenger-Dienste nicht hilfreich. Man schreibt oft zuerst und überlegt danach, was sich als unglückliche Reihenfolge herausstellt. Der Empfänger interpretiert die Nachricht auf seine Art und Weise. Dieses Spiel kann ewig hin-und hergehen, bis einer keine Lust mehr hat oder nur noch sauer ist. Mit dem Smartphone zu telefonieren, fällt mir merkwürdigerweise viel schwerer, auch wenn die Kommunikation meistens einfacher wäre.

Ein schmaler Grat

Manchmal gelingt es mir nicht, meine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Ich verhalte mich wieder konfliktscheu und zeige nicht, was ich wirklich fühle. Ich finde nicht die richtigen Worte oder den passenden Moment. Konkretes Beispiel: Ich leide unter chronischen Schlafstörungen und bleibe einen Teil der Nacht wach, wenn meine Freundin bei mir übernachtet. Es liegt nicht an ihr und ich habe schon alles ausprobiert. Ich fühle mich schuldig, wenn ich es ablehne oder manchmal eine Ausrede erfinde. Sie zeigt meistens Verständnis und macht mir keine Vorwürfe. Aber das Thema bleibt für beide problematisch. Ich versuche es erneut, weil sie mir viel bedeutet. Sicher sehe ich es nicht als Drama, den ganzen Sonntag gegen meine Müdigkeit zu kämpfen. Ich glaube, es ist auch wichtig, ab und zu aus seiner Routine auszubrechen. Für mich stellt sich die Frage, mit welchen Kompromissen ich gut leben kann. Ich empfinde es als einen schmalen Grat. Auf der einen Seite für einen wichtigen Menschen zu versuchen, etwas zu ändern. Auf der anderen Seite sich treu bleiben. Sich nicht anzupassen, nur aus Angst, jemanden zu verlieren.


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