Wir wollten uns anders und besser trennen als die anderen

Ich kenne Paare, bei denen ist das komplett anders, sie streiten sich oft, und für die ist Versöhnungssex der beste Sex. Das war bei Louisa und mir nicht der Fall. Wir hatten den besten Sex aus dem besten Verständnis heraus. Und das Verständnis ist nach wie vor bestens, doch die Lust ist einfach weg. Total weg, wie weggepustet, und das schon lange. Wir haben alles versucht, damit die Lust zurückkehrt, es ging nicht, wir haben mit dem Kapitel abgeschlossen, wir haben auch die Suche nach Gründen endgültig aufgegeben. Eine sexlose Beziehung kommt für uns nicht in Frage, Fremdgehen auch nicht, deshalb haben wir uns nach sehr reiflicher Überlegung getrennt. Es gibt nichts wiederzubeleben. 

 Louisa und ich, wir sind für einander geschlechtsneutrale Wesen. Ja, das ist tragisch, doch wir hatten Zeit, uns damit abzufinden. Mehr will und kann ich dazu nicht mehr sagen. Ich habe jedenfalls keine Ahnung, warum mich das reizbar macht, dass ich weiß, dass Louisa mit ihrem neuen Freund schläft, wenn sie bei ihm übernachtet, warum ich morgens mit den Kindern missmutig am Frühstückstisch sitze, wenn sie gut gelaunt mit Brötchen dazukommt. Sie frühstückt immer mit uns, auch wenn sie die Nacht bei ihrem Freund verbracht hat. Ich verhalte mich oft unmöglich, ich bin ungerecht, ich werde laut, ich suche Streit, ich beleidige Louisa, ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder. Unsere Kinder haben sich schon richtig erschrocken.

Ich habe mir das Hirn zermartert, was mit mir los ist. Vielleicht bin ich nicht eifersüchtig auf Louisas Freund, auf das, was sie mit ihm macht und nicht mit mir, vielleicht möchte ich selbst einfach auch mal wieder als Mann angeschaut und begehrenswert gefunden werden. Ich bin schon ziemlich lange in der Rolle des guten Freundes für Louisa und natürlich in der Vaterrolle, eine Rolle, die ich liebe. Aber ich bin eben auch ein Mann, und der ist in dieser Ehe auf der Strecke geblieben. Das hat mir nichts ausgemacht, als Louisa nach der Trennung noch gemütlich jeden Abend neben mir auf dem Sofa gesessen hat, aber jetzt komme ich mir dabei vor wie ein Depp, wie ein Verlierer, wie ein Versager. Ich habe schon darüber nachgedacht, dass es doch viel besser wäre, wenn wir zwei Wohnungen hätten.

Die Kinder wollen, dass wir uns nicht streiten

Aber das möchte ich den Kindern nicht antun. Nicht nur, dass sie pendeln müssten, wir könnten uns auch bei den Mietpreisen niemals zwei so schöne Wohnungen leisten, wie wir jetzt eine haben. Und die bietet durchaus Rückzugsmöglichkeiten für Louisa und mich, aus dem ehemaligen Arbeitszimmer ist mein Zimmer geworden, das alte eheliche Schlafzimmer hat Louisa für sich eingerichtet. Wir leben wie in einer WG. Den Kindern haben wir gesagt, dass wir uns noch sehr liebhaben, aber eben nicht mehr als Frau und Mann, das haben die beiden akzeptiert. Ich glaube, sie verstehen gar nicht, was sich verändert hat, für die ist wichtig, dass wir uns nicht streiten.

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Und genau das tun wir jetzt, wir streiten, ich streite. Dabei haben wir lange diskutiert, ob wir das wirklich so machen wollen, Louisa und ich, zusammenwohnen, obwohl wir getrennt sind. Wir haben quasi unsere Seelen auf den Tisch gepackt, wir sind alle Eventualitäten durchgegangen, auch die, dass einer von uns einen neuen Partner hat. Wir waren sicher, wir kommen damit klar. Wir gehen doch durch dick und dünn. Und jetzt benehme ich mich wie ein eifersüchtiger Othello. Es ist mir peinlich, ich schäme mich vor Louisa und vor den Kindern.“

Kommen doch unverarbeitet Themen aus der Beziehung hoch?

Wie schätzt Louisa die Lage ein? Ist sie enttäuscht, dass sich Philip quasi als Mogelpackung erweist? Erst mimt er den verständnisvollen Mann und Vater, der mit ihr zusammen die Interessen der Kinder über alles stellt, und dann benimmt er sich bei der ersten Belastungsprobe wie ein Tyrann?

„Ich kann den Stab nicht über Philip brechen, das wäre nicht fair“, sagt Louisa. „Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde an seiner Stelle. Vielleicht ähnlich? Vielleicht haben wir uns überschätzt. Ich denke, dass Philip tatsächlich nicht primär eifersüchtig ist, dass ich einen anderen Mann begehre, aber er möchte eben auch ein erfülltes Leben haben, dazu gehört Liebe und Sex. Wenn die Kinder schlafen, sieht er fern oder liest, und ich gehe zwei Mal oder selten drei Mal in der Woche zu meinem Freund und habe Spaß. Ich kann nachvollziehen, dass Philip das kränkt und mürbe macht, so dass er oft die Kontrolle über sich verliert.

Wir reden viel, Philip und ich, wir versuchen, das Thema in den Griff zu bekommen. Ich habe sogar schon daran gedacht, mich von meinem Freund zu trennen. Es wäre schlimm für mich, ich genieße das Zusammensein mit ihm sehr, aber ich würde es für die Kinder tun. Philip will das nicht, dass ich mich trenne. Er weiß, dass mich diese Beziehung glücklich macht. Er gönnt es mir, doch da sitzt irgendwo ein Stachel in seinem Unbewussten, der alles vergiftet. Vielleicht müssen wir noch mal ran an Altlasten unserer Beziehung? Vielleicht müssen wir im Nachklapp an eine friedliche Trennung doch noch einmal so etwas wie eine Paartherapie machen, um zu ergründen, warum bei uns die Luft raus ist, wie das alles anfing, dass ich Philip nicht mehr als Mann begehrt habe und er mich nicht als Frau. Vielleicht liegt da der Hase im Pfeffer, dass Philip unter der Sexlosigkeit in unserer Ehe doch mehr gelitten hat als ich.

Ideal wäre, wenn er ebenfalls eine feste Freundin hätte, hat er aber nicht.  Philip sieht sehr gut aus, es gibt reichlich Frauen, die auf ihn stehen, doch Philip ist wählerisch. Und er ist kein Typ für kurze Affären. Wir geben unseren Plan, dass wir unter einem Dach leben nicht auf. Ich halte zu Philip, wir werden gemeinsam versuchen, diese Krise hinter uns zu lassen. Für mich ist das eine nacheheliche Krise, die ich bewältigen möchte. Denn auch wenn unsere Kinder älter sind und wir nicht mehr zusammenwohnen, ich möchte mich mit ihm gut verstehen, wir werden ja Eltern bleiben. Das heißt für uns: Wir müssen in jeder Hinsicht für die Gegenwart und für die Zukunft emotional reinen Tisch machen. Selbst wenn wir nicht nur das Bett nicht mehr teilen, sondern auch den Tisch nicht mehr, müssen wir miteinander klar sein.“

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