Brauchen wir neue Dating-Regeln?

Gefühlt wird der Umgang immer schlimmer: Ghosting, Benching, Dick-Pics … So macht Kennenlernen und Partnersuche immer weniger Spaß. Zeit für neue Dating-Regeln, meint beziehungsweise-Chefredakteur Eric Hegmann.

Warum entstanden überhaupt Dating-Regeln?

Die Geschichte des Dating: Daten, wie wir es kennen, gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert. Denn Dating bedeutet Kennenlernen im öffentlichen Raum, um herauszufinden, ob man zusammen passt zwecks einer Ehe / Beziehung. Solche Treffen fanden zuvor nur privat statt, meist unter Aufsicht. Die Polizei dachte anfangs, Dating sei eine Form der Prostitution, schreibt Moira Weigel in ihrem Buch „Labor of Love: The Invention of Dating“. Mit der Verbreitung des Autos konnten Paare endlich unbeobachtet sein, denn sie konnten irgendwohin fahren und mit dem Mobiltelefon mussten Teenager nicht mehr daheim bei den Eltern am Telefon sitzen und auf einen Anruf warten. Wo es viel Freiheit gibt, entstehen auch Risiken – oder mindestens Missverständnisse. Und so entstanden Dating-Regeln.

Jedes Land kennt natürlich Regeln wie diese: Der Verehrer holt seinen Schwarm bei ihren Eltern ab und bringt sie zu einer vorbestimmten Zeit wieder wohlbehalten (und unberührt) zurück. Das galt in Deutschland so wie in den USA. Doch die Amerikaner gelten als die eigentlichen Erfinder der Dating-Regeln. Als Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten brauchte es dort ein gemeinsames Verständnis für die Abläufe beim Kennenlernen. Hollywood bzw. die US-amerikanische Film- und TV-Produktion machte dann die ganze Welt mit diesen Regeln vertraut. Durch “Friends”, “How I Met Your Mother” und natürlich “Sex & the City”. Und das oben erwähnte “The Rules”, das sich mehrere Millionen Mal verkaufte, allerdings in Europa viel Kopfschütteln und Unverständnis provozierte: So wild aufs Heiraten (und die Abhängigkeit vom männlichen Versorger) wie die Amerikanerinnen waren die deutschen Frauen wohl nicht. Vor allem nicht, wenn sie sich dafür für den Mann verbiegen und permanent “Ich bin schwer zu kriegen”-Spiele spielen sollten, wie von den Autorinnen empfohlen. Die Scheidungsquote in den USA ist drastisch höher als in Deutschland, vielleicht weil eine Beziehung, die wegen dümmlicher Regeln nicht auf Augenhöhe beginnt, auch keine tragfähige Paar-Dynamik ergeben kann.

Ghosting, Benching – der heutige Dating-Frust hat viele Namen

Vor einiger Zeit habe ich hier gefragt: Warum ist Dating so frustrierend geworden? Die Antworten waren vielfältig, ganz oben waren Unzuverlässigkeit und Unverbindlichkeit zu finden, dann Unehrlichkeit und schließlich die Resignation mit einem Partnersuchprinzip, das Marketing und Selbstoptimierungszwang anstelle von Neugierde und Offenheit gesetzt hat. Spielerisch leichtes Kennenlernen? Fehlanzeige. Kein Optimismus: “Das ist sie/er!” Eher Resignation: “Das wird wieder nichts.” Und wer so zu einem Date kommt, der erhält auch das, was er erwartet. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung schlägt gnadenlos zu.


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