Warum jeder mal in einen Sex Shop gehen sollte

Buchauszug

Menschlich und liebevoll erzählt Candy Bukowski aus ihrem Alltag als Verkäuferin in der Hamburger Boutique Bizarre, Europas größtem Sex Shop, auf der Reeperbahn. „Eine neutrale Tüte bitte“ ist augenzwinkernd und zugleich horizonterweiternd. Es gibt viele lustige, skurrile Geschichten, aber auch sehr bewegende Fälle. Und vor allem schafft das Buch eins: Lust, Neues auszuprobieren.

Anstatt eines Vorwortes: Jedem seinen Thermomix!

Ein seriöses Mittfünfziger-Paar, das seit geraumer Zeit völlig entspannt seine Runden durch den Laden dreht und interessiert guckt, steht vor der Vitrine mit den ausgestellten Fick-Maschinen. Unterschiedliche Modelle sind dort zu finden, alle funktionieren nach demselben Prinzip: Mensch kann sich davor hocken oder legen und kommt dank ausgeklügelter, motorisierter Leistung in den Genuss, sich realitätsnah durchvögeln zu lassen. Nach einiger Zeit begutachtenden Schweigens, entspinnt sich ein ruhiges Gespräch mit einigen Pausen zwischen den beiden. Die Dame macht den Anfang:

„Das ist – speziell …“

„Oh ja. Dass es so etwas gibt, hätte ich nicht vermutet.“

„Es ist auf jeden Fall – bemerkenswert.“

„Das Ding hat Ausdauer … da gäbe es keine Beschwerden mehr – von wegen zu schnell oder zu kurz.“

„Pah. Als ob ich jemals … das Ding läuft über einen Netzstecker … das kann endlos …“

„Genau das stelle ich mir gerade vor: du und dieses Ding, bis du aufgibst.“

„Na hör mal. Das ist eine Maschine. So ein kaltes Gerät kann doch niemals einen Menschen ersetzen …“

„Das, meine Liebe, hast du vom sündhaft teuren Thermomix auch behauptet. Und jetzt willst du ihn nicht mehr hergeben.“

Herzlich willkommen im Sexshop!

Was für ein großartiges Pärchen, oder? (…) Sie sind einfach ein wundervolles Beispiel für eine offene, tolerante Lebensart. Seine Hand liegt auf ihrem Po, beide gehen liebend und humorvoll mit dem anderen um, sie sind neugierig und interessiert und haben noch Sex miteinander. Besser geht es nicht. Der überwiegende Teil der vielen Besucher eines Sexshops gehört zu dieser sympathischen Gruppe unaufgeregter Normalos. Menschen wie du und ich, jeder nach seinem Geschmack, mit Vorlieben und Abneigungen, Go’s und No-Go’s. Aber alle zusammen sind glücklich im 21. Jahrhundert angekommen. Klar besucht man einen Sexshop! (…)

Eigentlich könnte der unbeschwerte, offene Umgang mit unserer Sexualität total unkompliziert sein. Wenn da nur nicht immer die anderen wären:

„Toller Laden! Nach solch einem haben wir lange gesucht. Dort, wo wir herkommen, na ja, da ticken die Uhren noch ganz anders. Die meisten wären fassungslos, wenn sie wüssten, womit wir uns hier so eindecken und zuhause dann Spaß haben.“

„Witzig, das sagen eigentlich fast alle. Vielleicht ist es inzwischen so, dass jeder das über den anderen denkt, aber eigentlich die meisten selbst recht locker damit wären.“

„Oh nein. Du kennst unser konservatives Umfeld nicht. Glaub mir, da würden Welten einstürzen. (…)“

Nun, offen gesagt: Sie kommen fast alle. Die einen, weil sie etwas Konkretes suchen oder sich beraten lassen möchten. Die anderen, weil sie gerade vorbeischlendern, Zeit
für etwas Abwechslung haben oder sich inspirieren lassen möchten. Manche lieben das Ambiente und fühlen sich dabei ein wenig verwegen. Und wieder andere halten speziell dieses Haus für ein Hamburger Skurrilitäten-Kabinett oder eine Art abgefahrenes Museum und möchten zuhause etwas zu erzählen haben. Alle zwischen 18 und 90 Jahren. (…)

Meine Kollegen und ich begleiten jährlich hunderttausende Besucher auf dem Weg durch ihre Nächte und erfahren intime Dinge, die sie oft nicht mit anderen zu teilen bereit sind, manchmal kaum mit ihrem eigenen Partner. Wir treffen auf Menschen jeden Alters, aus allen Kulturkreisen und Gesellschaftsschichten. Wir bauen Vertrauen auf und Hemmungen ab, nehmen Scham, schenken Verständnis, lassen uns hin und wieder beschimpfen oder erfreuen uns ebenso emotionaler Dankbarkeit. Manchmal fungieren wir als Dompteure betrunkener Kiezgruppen und, man mag es kaum glauben, oftmals sind wir diejenigen, die auf etwas mehr Niveau bestehen, wenn dem ein oder anderen Kunden die ungewohnte Umgebung allzu sehr als Einladung erscheint, endlich mal die Sau herauszulassen.


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