Hurra! Die Corona-Beziehungskatastrophe ist ausgeblieben

Die meisten Paare sind in der Krise miteinander gewachsen. Die Liebe ist nicht dem Virus zum Opfer gefallen. Paarberater Eric Hegmann freut sich, dass die Untergangsprophezeihungen nicht eingetreten sind

Die Beziehungs-Apokalypse ist ausgefallen

Was ist denn nun eingetreten? In unserer beziehungsweise-Paarantäne-Sprechstunde auf Instagram haben wir täglich LeserInnen-Fragen beantwortet. In den ersten zwei Wochen gab es tatsächlich einige besorgte Paare, die sich auf die Nerven gegangen waren, die zwischen Home Office und Home Schooling aufgerieben wurden und die sich mit ihren Ängsten einsam fühlten, weil ihr Partner für sie nicht erreichbar war in dieser Ausnahmesituation. Aber je länger der Lockdown und die Paarantäne anhielten, die überwiegende Mehrheit der eingesandten Beziehungsprobleme beschrieb Situationen, wie sie zu jeder Zeit und bei jedem Paar vorkamen. 

Wo es vorher nicht gut lief, wurden die Konflikte zu einem Teil noch schlimmer, aber nicht überall, häufig wurde es sogar besser. Warum? Meine Vermutung: weil es in Beziehungen um das Bedürfnis nach emotionaler Nähe geht. Wir gehen Partnerschaften ein, weil wir Antworten auf diese Fragen hören möchten: „Bist du da für mich? Nimmst du mich wahr? Kann ich mich an dich wenden mit meinen Sorgen?“ Wenn ich Paare in der Beratung frage, was sie am meisten in ihren Beziehung vermissen und Getrennte, warum ihrer Beziehung gescheitert ist, kommt immer wieder an erster Stelle: „Zeit und echte Verbundenheit mit dem Partner.“ Auch die Trauma-Forschung bestätigt dies: Krisen schweißen Paare und Familien zusammen. Der zwangsläufige Austausch über die Ängste und Hoffnungen schafft emotionale Nähe. Das Gespräch über die Sorge vor Krankheit der Eltern, um die eigene Gesundheit, um einen möglichen Verlust des Partners – diese Themen sind natürlich mehr Klebstoff für eine Beziehung als eine abendliche Routine mit Smalltalk über das Aufregende, was die jeweiligen Kollegen getan haben, die man sowieso nicht kennt, mit leicht erhobenem Kopf über dem Smartphone, durch die Timeline tippend und sich fragen, warum die anderen Paare auf Instagram immer so glücklich aussehen.

Was Paare während des Lockdowns beschäftigte

Hier bei beziehungsweise suchten die Paare unter euch vor allem Inspiration für ein liebevolles Miteinander: für intensive Gespräche, für Paar-Spiele und ja, für Sex-Ideen. Es waren überwiegend die Singles, die sich einsam fühlten, nicht die Beziehungspartner. Der Eindruck drängt sich auf – und der wird von repräsentativen Zahlen gestützt und ebenso von den natürlich nicht repräsentativen Beobachtungen und Rückmeldungen von euch –, dass Paare viel mehr aushalten können und an ihren Herausforderungen wachsen, als vielleicht sie selbst und viele Skeptiker ihnen zugetraut haben. Und das ist ein gutes, ein Hoffnung machendes Signale. Solche benötigen wir, falls es weitere Infektionswellen geben wird. Falls sich die Prognosen über Gewalt in Familien bestätigen. Falls verworrene Verschwörungstheorien überhandnehmen. Falls die Nachwirkungen dieses weltweiten Traumas nicht überwunden werden können. Vorbei ist Corona, weder die Pandemie noch die Veränderungen, für die COVID-19 in den Geschichtsbüchern stehen wird, noch lange nicht. 


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