Zwischen vermissen und nicht vermisst werden

In Wirklichkeit ist es so, dass das Aussprechen der Gefühle das Herz ein ganzes Stückchen leichter macht. Ein „Ich vermisse dich!“ tatsächlich auszusprechen – oder zu schreiben – ist nicht schwach. Im Gegenteil: Es ist ehrlich und stark. Selbst in Fällen, in denen man keine Antwort darauf erhält, bringt es einen weiter, denn es schafft Klarheit im Gedankenkarussell, das darum kreist, ob der Andere einen nun auch vermisst oder nicht. Wenn man genau weiß, woran man ist, fällt es leichter, mit einer Sache abzuschließen – oder sich erneut darauf einzulassen, wenn die Antwort des Gegenübers „Ich vermisse dich auch!“ ist.

Ganz egal, wie die Antwort auf ein „Ich vermisse dich!“ ausfällt, wichtig ist, dass man mit sich selbst im Reinen ist, und dazu gehört meiner Meinung nach, dass man nicht nur ehrlich zu sich selbst, sondern auch zum Anderen ist. Wenn man schon darüber grübelt, ob das Gegenüber einen eigentlich vermisst, ist offensichtlich, dass man selbst vermisst – und genau das sollte man auch offen zugeben können. Sich an bloße Hoffnungen zu klammern, oder ganz und gar darüber zu freuen, dass das Gegenüber vielleicht auch vor Sehnsucht so vergeht wie man selbst, hat noch nie jemandem geholfen.

Natürlich ist es bitter, wenn man feststellen muss, dass der Andere nicht dieses ungeheure Gefühl des Vermissens und der Sehnsucht verspürt wie man selbst – und dennoch kann es hilfreich dabei sein, die eigenen Gefühle zu überdenken und sich neu zu orientieren. Der Schmerz, den das Vermissen mit sich bringt, geht irgendwann vorbei. Wenn man ihm Platz macht, ihn zulässt und ganz offen formuliert sogar schneller, als wenn man ihn in sich hineinfrisst und vor sich selbst und dem Anderen verleugnet.


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