Ich bin dann mal weg: Über die Angst vor (emotionaler) Nähe

Und dann – warum? warum? – die Nachricht: „Ich schaff es nicht mehr, es geht nicht mehr. Es liegt nicht an dir. Ich bin vielleicht noch nicht so weit. Ich kann diese Nähe einfach nicht. Es geht nicht, ich ertrag es nicht. Ich will dich nicht verletzen, ich habe dich nie angelogen, wenn ich dir gesagt habe, dass … Ich bin nicht unentschlossen. Trotzdem klappt es nicht. Mach’s gut, danke für alles. Ich bin nicht weniger traurig als du.“ Und in diesem Moment löst sich der Himmel wie ein Wolkenstofftuch, fällt, stürzt hernieder und auf diesen Tag hinab. Es wird dunkel. Und tagelang hämmert das Warum in unserem Kopf dumpf gegen den Schädelknochen. Das Herz spüren wir nicht, es schlägt wohl irgendwie weiter, unten, tief im Keller.

Angst vor emotionaler Nähe ist nicht gleichbedeutend mit Desinteresse

Ich glaube, dass die Angst vor Nähe nichts mit – zu wenig – Interesse, Anziehung, Verliebtheit, ja sogar Liebe zu tun haben muss. Das klingt paradox. Und vielleicht ist es paradox. Gerade das Paradoxe ist ja meist das Unerträgliche, das wir nicht aushalten, wenn wir an einen Menschen geraten, der uns nach einer euphorischen Phase des Kennenlernens „plötzlich“ eröffnet, dass ihm alles zu „eng“ (geworden) ist.

Dabei spielt es gar keine Rolle, ob die Hormone seine Angst, so nennen wir sie instinktiv, vor Nähe (Beziehung, Bindung) in den ersten Wochen neutralisiert hatten und er deshalb scheinbar so synchron mit uns mitgeschwommen war oder ob ihm schon vom ersten Kuss an unbehaglich zu Herzen war, er sich aber noch „zusammenreißen“ konnte. Am Ende siegte ja doch seine/ihre Angst und alles, was so vielversprechend begann, war kaputt und unwiderruflich fortsetzungslos.

Die Angst vor zu viel Nähe: Distanzierung bei Annäherung

Es gibt sie an jeder Straßenecke, immer dann, wenn man sie nicht braucht, immer dann, wenn man sich selber endlich klar darüber geworden ist, dass man sich wieder nach Tiefe und Verbindung sehnt: Frauen und Männer, die Angst vor zu viel Kontakt haben, vor zu viel Nähe. Je länger man sie kennt oder kennengelernt zu haben meint, desto stärker entfernen sie sich von einem, zuerst ganz still und langsam-zögerlich, dann mit immer größeren Schritten. Das klärende Gespräch suchen sie nur selten. Sie haben wohl auch davor zu viel Angst, meinen wir zu wissen. Am liebsten melden sie sich nur noch einmal per SMS, Whatsapp … Ein letztes Mal, eine Anstandsabmeldung, und dann sind sie weg. Für immer.

Ist dieses Verhalten nicht der ultimative Beweis dafür, dass er/sie es nicht 100% ernst gemeint hat? Schließlich ist er/sie geflohen, sang- und klanglos, hat sich in Luft aufgelöst und dadurch 1.000 Hoffnungen begraben. Ein Mensch, der nicht kämpft, bis er umfällt, zumal für die Liebe – gibt es ein schöneres Ziel? – meint es nicht ernst, ist feige, hat uns was vorgeheuchelt, wäre sowieso nicht der Richtige gewesen… Aber ist das wirklich so?


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