Risiko: Gemeinsame Autofahrten 

Die meisten Paare wissen: Gemeinsame Autofahrten sind heikel. In der Regel ist der Streit vorprogrammiert. Warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?  

Die Situationen  

Schauen wir uns einige Situationen genauer an. Sie tritt abrupt auf die Bremse, weil – wie sie einschätzt – es das bremsende Auto vor ihr verlangt. Schließlich will sie keinen Auffahrunfall riskieren. Sie handelt aus ihrer Sicht, wie es die Situation verlangt und angemessen ist. Er fühlt sich grob behandelt und missachtet, denn schließlich weiß sie, wie übel ihm wird, wenn sie plötzlich so stark die Geschwindigkeit reduziert. Mal abgesehen davon – so seine Sichtweise – , dass das vor ihnen fahrende Auto weit weg ist. Man hätte also auch sanfter abbremsen können. Es scheint ihr also völlig egal zu sein, wie es ihm dabei geht.  

In der Baustelle auf der Autobahn fährt er zügig auf der linken Spur an Autos und Lkws vorbei. Da die zweite Spur nur zwei Meter breit ist, ist der Abstand zum überholten Kraftfahrzeug natürlich gering. Bei jedem dieser Überholmanöver hält sie hörbar die Luft an und presst sich in ihren Beifahrersitz „Fast hättest du den Spiegel abgefahren“, kommentiert sie ängstlich seinen Fahrstil und ergänzt „Hier ist 80!“. Warum kann er nicht mehr Abstand halten und nicht so schnell fahren, er weiß schließlich, dass ihr das Unbehagen bereitet. Er setzt ihr Leben für sein Ego aufs Spiel, verantwortungslos ist das! 

Die Perspektiven 

Der oder die handelnde Fahrer*in sieht sein oder ihr Verhalten (scharf bremsen, zügig an Fahrzeugen vorbeifahren) als unmittelbare Reaktion auf die Verkehrssituation. Nicht er oder sie haben subjektiv gehandelt, sondern ganz objektiv hätte jeder andere in dieser Situation genauso reagiert. Es gibt daran nichts, was auf die Person, den Charakter oder gar subjektive Motive schließen lassen könnte.  

Der oder die zuschauende Beifahrer*in hat eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Die Art und Weise, wie der/die Handelnde die Information verarbeitet hat, bleibt ihm oder ihr verschlossen. Die Handlung wird nicht als Ergebnis einer Situation interpretiert. Die Gründe dafür liegen vielmehr im Handlenden selbst, seiner Motivation (möglicherweise den Beifahrer provozieren zu wollen oder seine Befindlichkeiten missachtend), die er auch ganz grundsätzlich im täglichen Miteinander an den Tag legt. Er fühlt sich in seiner passiven Rolle als Beifahrer vom aktiven Fahrer ‚behandelt‘, grad so wie er es eben immer tut. Obwohl er mich kennt, also um meine Sicht auf die Welt weiß, verhält er sich so, als ob es ihm egal wäre.  

Der Kritik erhaltende Fahrer dagegen fühlt sich durch die Nörgelei vom Beifahrersitz in seiner Kompetenz und Autorität in Frage gestellt und ist gekränkt. Schließlich kann man keine notwendige Reaktion kritisieren. Wenn es die Situation erfordert, muss man eben entsprechend reagieren. Ob es dem anderen nun gefällt oder nicht. Warum vertraut mir mein*e Beifahrer*in nicht? 

Diese Aufeinanderbezugnahme passiert natürlich nur dann, wenn uns die Person, mit der wir gemeinsam im Auto sitzen, am Herzen liegt. Im Taxi brechen wir schließlich keinen Streit vom Zaun, nur weil der Fahrer nicht nach unseren persönlichen Vorlieben fährt. Es mag dann ärgerlich sein, aber wir nehmen die Sache nicht persönlich. So ist also der Streit im Auto letztlich auch ein Ausdruck der Nähe der Beteiligten, was uns vielleicht etwas versöhnlicher stimmen könnte.  


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