unerhört: Verliebt in meine Affäre

Seit zwei Jahren haben sie eine Affäre. Sie ist vergeben, er ist vergeben. Aber sie würde sich umgehend von ihrem Freund trennen, würde ihr Liebhaber sie nur darum bitten.

Antwort: Wenn Sie tatsächlich Liebe erfahren wollen, dann hören Sie besser auf, an Ihren Ängsten festzuhalten.

Sie fragen, ob Sie deshalb ein schlechter Mensch seien? Nein. Aber Ihr Verhalten wird mittelfristig mehrere Menschen verletzen und Sie sollten darüber nachdenken, was Sie jetzt sofort tun können, damit diese Verletzungen nicht zu tief und vielleicht auch unheilbar ausfallen. Denn, das sollte Ihnen bewusst sein, Sie riskieren, dass Ihr Partner, der Ihnen vertraut, diesen lange andauernden Betrug nicht bewältigen wird. Wer über einen langen Zeitraum betrogen wird, zweifelt an der eigenen Wahrnehmung und hat möglicherweise große Schwierigkeiten, überhaupt jemandem nochmals vertrauen zu können. Sie – ebenso wie Ihre Affäre – riskieren nicht nur einen kurzzeitigen Schmerz, sondern nehmen auch schwerwiegende Folgen dieser Verletzung in Kauf. Bei Ihren beiden Partnern, mit denen Sie Ihren Alltag teilen.

Sie schreiben, Ihr Partner sei labil und Sie machten sich um ihn Sorgen. Bitte verzeihen Sie mir, aber das ist eine Ausrede, Sie wollen nicht ihn, sondern sich schützen. Mit jedem Tag, den Sie verstreichen lassen, verletzen Sie ihn mehr. Sie machen es also nur schlimmer. Würde Ihnen Ihr Partner wirklich am Herzen liegen, dann würden Sie versuchen, Ihre Beziehung zu schützen und zu retten. Damit würden auch Sie ihn vor Verletzungen bewahren. Das machen Sie aber nicht, weshalb Sie sich zumindest eingestehen sollten, dass Sie nicht seinetwegen schweigen, sondern Ihretwegen.

Sie verspüren große Angst vor Zurückweisung. Sie möchten nicht riskieren, von Ihrer Affäre zurückgewiesen zu werden, ebenso wenig möchten Sie sich der Konfrontation mit Ihrem Partner stellen. Sie provozieren dadurch, dass Sie alles so weiterlaufen lassen wie bisher, bis Ihnen alles „um die Ohren fliegen wird“. Meine Vermutung ist, dass ein Teil von Ihnen das auch genau so möchte, nämlich dass Sie sich selbst in die Ecke treiben und somit zu der Entscheidung gezwungen werden, die Ihnen so viel Furcht bereitet.

Dieses Verhaltensmuster ist schon deshalb eine der schlechteren Strategien, die Sie verfolgen können, weil Ihnen im Anschluss kaum noch Optionen offen stehen werden. Deshalb würde ich Ihnen raten, ganz pragmatisch zu prüfen, was Sie eigentlich jetzt tun können, solange Sie noch über mehrere Möglichkeiten verfügen.

Ihr Ziel scheint nach Ihrer Beschreibung zu sein, eine Beziehung mit Ihrer Affäre zu führen. Dies können Sie nur erreichen, wenn Sie die Möglichkeiten dazu schaffen, also Ihren jetzigen Partner verlassen und Ihrer Affäre nahelegen, das ebenso zu tun, damit Sie beide herausfinden können, ob das, was Sie zusammenhält, auch Basis einer Beziehung sein kann. Ich bezweifle das allerdings aus mehreren Gründen.

Wenn er oder Sie das wirklich unbedingt wollten, dann hätten Sie die Konsequenzen längst gezogen. Zwei Menschen, die nun über Jahre hinweg so viel teilen, denen es aber nicht gelingt, über das zu sprechen, was tatsächlich in ihrem Inneren vorgeht, die werden sich nicht plötzlich einander öffnen können und alle Probleme damit lösen. Wenn Sie ehrlich sind, misstrauen Sie ja Ihren eigenen Gefühlen und seinen ebenso, wenn Sie sich fragen müssen, ob er sich wegen Ihnen trennen wird und ob er Sie möglicherweise zurückweist. Das ist keine Basis für eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Dann kommt hinzu, dass Sie eben beide auch über lange Zeit unehrlich zu Ihren Partnern waren. Es ist nicht unmöglich, aber es wird schwer sein, füreinander so viel Vertrauen aufzubauen, dass Sie sich einander sicher sein können. Denn wenn er – ebenso wie Sie – über Jahre hinweg unehrlich zum Partner sein konnte: Weshalb sollte dies mit Ihnen anders sein? Weshalb sollte er Ihnen vertrauen können?

Mit Ihrer andauernden Affäre haben Sie in meinen Augen eine deutliche Entscheidung gegen Ihre Beziehung getroffen. Wäre es nur um Sex gegangen, dann hätten Sie mit Ihrem Partner verhandeln können, wie Sie als Paar mit sexuellen Fantasien mit anderen Personen umgehen. So etwas lässt sich heutzutage verhandeln. Dieser Auseinandersetzung haben Sie sich aber entzogen und ihm sein Mitspracherecht genommen.

Was bleibt Ihnen? Sie können weitermachen wie bisher. Nach meiner Erfahrung wird Ihre Affäre irgendwann auffliegen und Sie werden sich verantworten müssen. Oder Sie bereiten zumindest der Chance, mit Ihrer Affäre eines Tages eine Beziehung führen zu können, den Weg und lösen sich aus Ihrer jetzigen Beziehung. Die wird wahrscheinlich Ihre Affäre nicht überstehen. Denn Sie haben zwar Sorge um Ihren Partner, aber Sie haben keinen Respekt mehr für ihn.

Schmerzhafte Erfahrungen in Beziehungen prägen unser Bindungsverhalten. Sie schaden nicht nur Ihrem jetzigen Partner, sondern auch sich selbst, wenn Sie nicht selbst das Steuer in die Hand nehmen und die Richtung vorgeben, in die Sie fahren möchten. Nicht nur für heute und morgen, sondern auch für übermorgen, denn diese Erfahrung jetzt werden Sie in die nächste Beziehung mitnehmen. Zur Liebe gehört Mut. Wenn Sie tatsächlich Liebe erfahren wollen, dann hören Sie besser auf, an Ihren Ängsten festzuhalten.

Letztlich wissen Sie ganz genau, was Sie tun müssten, nämlich mit Ihrem Beziehungspartner und Ihrer Affäre über Ihre Gefühle zu sprechen. Machen Sie das, es ist längst überfällig.

unerhörtehrlich

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