unerhört: Ich möchte mich nicht trennen, aber …

Unsere beziehungsweise-Leserin liebt ihren Partner, doch die Fernbeziehung macht sie unglücklich. Welche Zukunft hat das Paar, falls es überhaupt zusammenbleibt?

Antwort: Sie sind als Paar in einer Forderung-Rückzug-Dynamik gefangen, die Sie durchbrechen sollten

Sie beschreiben eine eigentlich harmonische Fernbeziehung mit vielen Höhen und einigen Tiefen. Die Tiefen geben Ihnen ein Gefühl von großer Unsicherheit. Das ist natürlich sehr schmerzhaft und Sie fragen sich verständlicherweise, ob Sie weiter investieren sollten.

Die von Ihnen beschriebene Paar-Dynamik ist sehr häufig. Sie folgt einer ständigen Wiederholung von Forderung und Rückzug. Hintergrund ist vermutlich, dass Sie und Ihr Partner ein unterschiedliches Bindungsverhalten haben, das zeigt sich in Ihrem gegensätzlichen Wunsch nach Nähe und Distanz.

Sie sehnen sich nach ihm, wenn Sie nicht bei ihm sind – er dagegen lässt sich auch noch Zeit und priorisiert seine Freunde, statt ebenfalls sehnsuchtsvoll Ihre Nähe zu suchen.

Nach Ihrer Beschreibung ist sein Verhalten eher distanzgesteuert, also vermeidend, während Ihres eher ängstlich klingt und sich mehr Bindung wünscht. Allerdings befeuern Sie sich durch Ihr Verhalten gegenseitig, das ist Ihnen möglicherweise nicht bewusst. Sein Rückzug verstärkt Ihren Wunsch nach Sicherheit, die Sie dann einfordern, woraufhin er sich weiter zurückzieht.

Sie schreiben, dies sei DAS Thema, das Sie besprechen. Daher vermute ich, dass Sie bereits lange in dieser Dynamik gefangen sind und sich Ihre Diskussionen ergebnislos im Kreise drehen. Wichtig ist, dass – bei all Ihren berechtigten Wünschen – Ihr Verhalten ebenso dieses Muster festigt wie seines. Sie werden seinen Rückzug nur verstärken, je mehr Nähe Sie einfordern.

Wie Sie geschrieben haben, sorgen Sie sich bei dem Gedanken an die Zukunft um Ihre Sicherheit. Sie erwähnen dabei auch Rückschläge aus früheren Beziehungen. Im Moment fokussieren Sie sich sehr stark auf das Distanzbedürfnis Ihres Partners und empfinden das als belastend. Vielleicht aber haben die früheren Verletzungen bei Ihnen dafür gesorgt, dass Sie besonders viel Sicherheit benötigen. Die Aussicht auf ein gemeinsames Haus macht Ihnen im Moment Angst. Gleichzeitig könnten Sie es aber auch als Zeichen von Sicherheit verstehen.

Es gibt in Fragen nach Nähe und Distanz kein „Falsch“ oder „Richtig“. Es gibt nur Verhaltensweisen, die Sie und Ihren Partner glücklich oder unglücklich machen. Diese müssten Sie gemeinsam verhandeln. Nach meiner Erfahrung gelingt dies jedoch gerade bei diesem Thema eher mit externer Unterstützung, denn die Gefahr ist groß, dass Sie beim Verhandeln bereits in Ihre Forderung-Rückzug-Dynamik zurückkehren werden.

Sie schreiben, Sie wissen, was Sie an ihm haben. Das heißt, da gibt es durchaus Sicherheit. Vielleicht kann es ein Beginn sein, zu hinterfragen, was Sie an Sicherheit denn tatsächlich benötigen. Vielleicht kann er Ihnen diese Sicherheit auch mit anderen Verhaltensweisen geben. Verhandeln Sie auf Augenhöhe und gleichberechtigt, dann werden Sie gemeinsam gewiss eine Lösung finden.

unerhörtehrlich

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