Über die Romantik im Zeitalter des Massen-Datings

Bin ich ein Einzelfall? Wenn ich ein bisschen im Netz surfe, habe ich leider einen anderen Eindruck.

Unser Dating ist stumpf geworden

Ja, unser Dating ist stumpf geworden, fast wie Fließbandarbeit. Manche gehen inzwischen sogar nach Anleitung vor, „um etwas zu reißen“. Andere „schauen mal“. Wieder andere suchen Zweisamkeit primär, um nicht mehr allein zu sein, nicht aber, weil sie es um eben dieser EINEN speziellen, besonderen Beziehung wegen tun. Man wischt nach links, nach rechts. Man trifft sich. Gibt sich Mühe oder auch nicht. Nimmt’s locker oder ernst. Treibt im besten Fall eine Zeitlang zusammen durch die Jahre, bis eine Seite feststellt, dass das ja doch nicht wirklich das ist, was man sich erhoffte. Oder sagen wir lieber: bis eine Seite ausnüchtert und plötzlich das schlechte Gewissen tief in sich spürt, das einem zuflüstert: „Du lebst gerade ein so richtig abstoßend mittelmäßiges, mieses Leben. Mach endlich was aus dir! So kenn ich dich gar nicht, so geht das nicht mehr weiter.“ (Dem Gewissen können die Folgen egal sein; wir werden uns ja schließlich nicht von ihm trennen.)

Wie viele von uns sind mit ihrem Leben wirklich zufrieden?

Das Gewissen ist bekanntlich die Internalisierung äußerer Gebote, Regeln, Verbote und so weiter. Irgendwann kam mir mal der bereits erwähnte Gedanke: Vielleicht hat sich ja wirklich unsere Gesellschaft verändert und mit ihr eben auch zahlreiche ungeschriebene Gebote, Regeln und Verbote. Ergänzen lässt sich: Erwartungen und Ansprüche. Es muss irgendwelche Gründe dafür geben, dass so viele von uns so empfänglich für den Dating-Wahnsinn sind, der da draußen gerade herrscht, und dass viele von uns es einfach nicht (mehr?) gebacken kriegen, eine nachhaltige Beziehung zu führen. Und mit ihr zufrieden zu sein. Wie viele Menschen würden denn heutzutage wirklich noch auf die Frage „Bist du restlos glücklich?“ mit „Ja, vollkommen!“ antworten? (Ich hoffe inbrünstig, dass das früher etwas anders war.)

Viele rätseln derzeit in den sozialen Netzwerken, in Zeitschriften und Büchern, genauso verblüfft wie ich, warum das alles so gekommen ist. Was die Gründe sind. Sie beschreiben, wie sich das anfühlt. Was das mit uns macht: Dating-Apps. Das Großstadt-Singleleben. Perfektionismus. Optimierungswahn. Selbstdarstellertum. Und so weiter. Wahrscheinlich weiß – leider – fast jeder, wovon hier die Rede ist.


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