Über die Romantik im Zeitalter des Massen-Datings

Sind wir verkorkst und resigniert?

Eine Freundin meinte mal zu mir, das sei so eine Phase und die gehe von alleine vorbei. Geduld, Junge! Man solle da jetzt nicht immer den Finger in die Wunde legen. Wir seien nun mal verkorkst, das fühle sich ja aber gar nicht mal immer schlecht an. Irgendwann in den Dreißigern, meinte sie, würde sich das dann ganz sicher ändern. Aber ob das, was dann käme, wirklich besser wäre, das sei ja längst noch nicht ausgemacht.

Ich bin nur leider so ein Mensch, der ziemlich ungeduldig ist. Der ungerne auf etwas wartet. Der nicht freiwillig und ohne Kampf passiv an den Umständen leidet. Zumal, wenn man bereits erfahren durfte, wie es sich schöner anfühlt. Ach, die Romantik …

Ich kenne viele, die finden Romantik reaktionär, peinlich, pathetisch, seicht, verblendet, widerlich, luschig. Haben Angst, dass gleich Ed Sheeran vorbeikommt und „Photograph“ singt oder – schlimmer – Mark Forster „Chöre“. Aber all das meine ich nicht mit Romantik. Auch nicht Hollywood-Kitsch oder naive Wirklichkeitsverklärung. Ich meine damit eine Sehnsucht, die nicht an der Wirklichkeit stirbt. Sehnsucht nach wirklicher Bedeutsamkeit und Sinn in einer Beziehung. Das Gegenteil von Austauschbarkeit und jener Resignation, die vielen Singles heute ins Herz gekrochen ist. Radikale Zärtlichkeit. Bedingungsloses Bekenntnis. Nicht diese heute so häufigen Angsthasenbeziehungen. Ich meine damit die Erkenntnis, dass die Liebe das Größte ist, das es gibt, und ich meine den Wunsch, dem Partner aus dieser Haltung heraus zu begegnen. Nicht bloß, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen oder narzisstische Löcher zu stopfen. Das geht nur über eine harte, bewusste Arbeit an den eigenen Einstellungen, und mit dem Mut, gegen den Strom zu schwimmen.

Ich wünsche mir, dass ich diese Gefühle zurückgewinne und in eine Beziehung trage, die auf ihrem Boden bis an ihr natürliches Ende gedeiht. Das ist meine Sehnsucht nach den alten Zeiten, die für mich nicht in grauer Vorzeit liegen, sondern eigentlich nur wenige Jahre zurück. Mein Romantizismus ist optimistisch. Und vielleicht ja auch ansteckend. Eine Pandemie der Romantik täte uns gut.

 

 


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