Lustkiller #1? Stress, den sich Paare selbst machen

Wie viel Sex braucht eine gute Beziehung wirklich? Paartherapeut Eric Hegmann beantwortet Fragen zur Häufigkeit und Bedeutung von Intimität.

Wie viel Sex braucht eine gute Beziehung wirklich? Diese Frage treibt viele Paare um. Sie vergleichen sich mit anderen, die vorgeblich so viel mehr Leidenschaft erleben. Aber stimmt das wirklich? Und ist nicht vielleicht dieses Vergleichen ein Teil des Problems? Paartherapeut Eric Hegmann beantwortet Fragen zur Häufigkeit und Bedeutung von Intimität

Jeden Tag? Zweimal in der Woche? Wie häufig sollten wir Sex haben?

Bitte entspannt euch! Genau so oft, wie beide Partner es wollen. Es gibt keinen Richtwert, den sollte sich auch kein Paar einreden lassen. Eine spannende Studie hat vor einigen Jahren herausgefunden, dass die Beziehungszufriedenheit nicht zunimmt durch häufigeren Sex als zwei Mal die Woche. Mehr ist nicht unbedingt besser. Hauptsache, es ist so häufig, wie die Partner es wollen.

Lustkiller oder Ausrede? Wie wirkt sich der Alltag wirklich auf unsere Lust aus?

Nach einer Studie von Parship haben bis zu 40 Prozent der Deutschen wegen Müdigkeit und 30 Prozent wegen zu viel Stress auf Sex verzichtet. Der Alltag spielt eine Rolle. Dabei muss aber bedacht werden: Während frühere Generationen mit Regulation von Sex kämpften, weil der verboten war oder es keine Hotelzimmer für unverheiratete Paare gab, dürfen wir erstmals in der Geschichte der Menschen häufiger und mehr Sex haben als wir wollen. Und gleichzeitig gab es nie zuvor eine derart große und detaillierte Auswahl an Pornografie, die überall und jederzeit konsumiert werden kann. Nach meiner Erfahrung ist es der Stress des „Müssens“ und des „Funktionierens“, der vielen Paaren zusetzt.

Muss guter Sex immer leidenschaftlich und wild sein?

Sex ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch und vielleicht sogar vor allem, Paarkommunikation und Bindung. Damit sagen die Partner einander: Du bist okay, ich mag dich anfassen, ich möchte von dir angefasst werden. Dieser Aspekt scheint mir zu wenig beachtet, während eine ganze Industrie von Toys und Pharmazeutika uns permanent einredet, das es nur um den Höhepunkt geht, der immer toller sein müsste, weil wir dazu irgendwelche Hilfsmittel kaufen sollen. Genuss, Nähe, Austausch, Geborgenheit sind den Paaren, denen ich in meiner Praxis begegne, wichtiger als Akrobatik.  

Wann ist der beste Zeitpunkt und Ort, um über sexuelle Wünsche und Fantasien zu sprechen?

Das sollten die Partner immer tun können. Hierbei möchte ich zwischen Fantasien und Wünschen unterschieden. Fantasien sind die Filme und Bilder im Kopf, die uns vom Alltagsraum in einen erotischen Raum bringen können, die einen Höhepunkt einleiten. Dagegen sind Wünsche Fantasien, die auch umgesetzt und erlebt werden wollen. Das sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Wenn Partner nicht über ihre Fantasien sprechen können, dann fällt es ihnen auch schwer, ihre Wünsche zu äußern. Die Partner müssen einander vertrauen und dürfen sich nicht durch Fantasien bedroht fühlen. Nur dann können sie ihre Wünsche auch miteinander ausleben.


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