Wenn Magersucht die Beziehung gefährdet

Ein weiteres Symptom ist die so genannte Körperschema-Störung (b). Betroffene nehmen sich trotz ihres starken Untergewichts dick und unförmig wahr. Die eigene Gewichtsschwelle wird sehr niedrig angelegt und die Angst, dick zu werden, nimmt sie vollständig ein. Oft lehnen sie ihren Körper ab, seine Bedürfnisse (Hunger, Durst, Schwindel etc.) müssen bekämpft werden. Magersüchtige erleben es als Erfolg, diese Bedürfnisse zu „besiegen“ und kontrollieren zu können.

Im Zusammenhang mit der Essstörung treten häufig weitere psychische Probleme auf. Bei diesen Komorbiditäten sind Angst- und Zwangsstörungen sowie affektive bzw. depressive Erkrankungen die häufigsten.

Magersucht: Eine große Belastung für die Partnerschaft

Leider chronifiziert sich die Anorexie bei 20-25 Prozent der Betroffenen. Die meisten der Frauen, die in der Pubertät eine Magersucht entwickelten, schaffen es zwar, ein relativ stabiles Gewicht zu halten, ohne sich in einen akut lebensbedrohlichen Bereich zu hungern; dennoch bestimmt die Krankheit immer noch einen großen Teil ihres Lebens und ihrer Gedanken. Dies wird zwangsläufig auch in einer Partnerschaft Raum fordern.

Für die Partner ist es nicht leicht zu sehen, wie sich der geliebte Mensch immer weiter zugrunde richtet. Wie kann man es ertragen, mit anzuschauen, wie der eigene Partner praktisch verhungert? Denn das, was die Betroffenen sich antun, ist alles andere als gesund, auch wenn sie möglicherweise die Krankheit zunächst hinter dem Bestreben nach einer gesünderen Lebensweise zu verstecken versuchen (bewusster und weniger essen, mehr Sport treiben). Aber was vielleicht anfänglich nach einer harmlosen Diät aussieht, kann irgendwann in einer gefährlichen Spirale enden. Mit anzusehen, dass der Partnerin nichts wichtiger zu sein scheint, als das eigene Gewicht zu reduzieren und dabei ihre Gesundheit und nicht selten ihr Leben und die Beziehung aufs Spiel zu setzen, ist schwer auszuhalten und führt nicht selten zur Resignation und zum Rückzug des Partners der Betroffenen.

Körperschemastörung und Ablehnung des eigenen Körpers

Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Fakt, der die Partnerschaft belastet. Die Störung des Körperschemas (b)(c) und das Ablehnen des eigenen Körpers und dessen Bedürfnisse, machen intime und sexuelle Kontakte meist problematisch bis unmöglich. Offenbar ist es so, dass je früher die Essstörung begann und je stärker das Untergewicht ist, desto mehr gehen die betroffenen Frauen (und Männer) sexuellen Beziehungen aus dem Weg und verspüren wenig Lust auf Sex, so eine Studie der University of North Carolina (d). Zudem ist es nicht selten so, dass sich auch der Hormonstoffwechsel verschiebt, was die Frauen „weniger Frau“ sein lässt, z.B. durch das Ausbleiben des Zyklus oder ein androgynes Erscheinungsbild.

Wenn man Magersucht als einen Versuch versteht, den eigenen Körper und dessen Bedürfnisse zu kontrollieren, wird es nachvollziehbar, dass es den Betroffenen schwerfallen wird, „sich fallen zu lassen“ in einer Partnerschaft. Nähe und körperliche Vertrautheit sind nicht leicht auszuhalten für die Betroffenen.

Gerade wenn die Krankheitseinsicht fehlt und die Magersüchtige jedem Gespräch aus dem Weg zu gehen versucht, fühlt sich der Partner ausgeschlossen und hilflos.


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