Kann eine Paartherapie auch per Video funktionieren?

Paartherapie per Video. Klingt praktisch und bequem, aber ist es auch sinnvoll und wirkt es? Müssen das Paar und der:die Therapeutin nicht in einem Raum sitzen? Über die Vorteile und die Nachteile. Von Paartherapeut Eric Hegmann.

Wie wird Online Paarberatung über Zoom angenommen?

Das Feedback ist außerordentlich positiv. Paare sagen, sie können sich bequem von zu Hause aus entspannen, ihre Katze streicheln oder sich in ihr Lieblingskissen kuscheln oder unbefangen ihren Partner in den Arm nehmen. Video-Coaching befreit sie vom Stress langer Kinderbetreuung, des Verkehrs, des Parkens … Viele Paare nennen vor allem praktische Vorteile als positive Aspekte.

Aus Sicht des Paartherapeut:innen birgt diese Bequemlichkeit allerdings auch eine Gefahr: Der Wechsel vom “Alltagsraum” in den “Therapieraum” erfolgt für die Partner vielleicht sehr unvermittelt zwischen Wäsche falten und Rasen mähen. Der Anfahrtsweg mag für das Paar lästig sein, er ist aber immer auch eine mentale Vorbereitung auf die Sitzung, während der Gedanken gesammelt und auch Gefühle überprüft werden. Manchmal benötigen die Partner deshalb ein paar Minuten, um tatsächlich in der virtuellen Praxis anzukommen, wenn der echte Weg nur wenige Schritte vom Arbeitszimmer ins Esszimmer bedeuteten.

Technische Standards für Paartherapie per Video

Grundsätzlich benötigt das Paar einen Raum, in dem es ungestört sein kann. Vielleicht ein Sofa oder auch zwei Stühle, sodass sie möglichst nah und bequem beieinander sitzen können. Dann ein Notebook, ein Tablet oder einen Desktop-Rechner mit Kamera. Nicht geeignet sind Smartphones, da deren Monitore zu klein sind. Und natürlich eine stabile Internet-Verbindung. Paare, die in einer Fernbeziehung leben, können sich natürlich auch von getrennten Orten aus einwählen.

Die strengen Datenschutzregeln für Therapeut:innen müssen eingehalten werden. Dazu gehört, dass die Sitzung nicht einfach aufgezeichnet werden kann. Dass keine anderen Klient:innen vom virtuellen Wartezimmer aus das Gespräch mitverfolgen oder gar hinzukommen können. Die Nutzerdaten müssen geschützt sein, das Protokoll darf nicht zugänglich sein uvm. 

Der:die Therapeut:in sollte eine Software nutzen, die es ermöglicht Unterlagen zu zeigen, um beispielsweise Übungsanleitungen einzublenden. Auch werden die meisten eine Art Whiteboard verwenden wollen, auf dem sie mitschreiben oder mitrechnen möchten. Ich verwende eine zweite Kamera zusätzlich zum virtuellen Whiteboard, um Interventionen mit Karten oder Post-Its abbilden zu können.

Ist Paartherapie per Video etwas für uns?

Diese Frage können nur die Partner beantworten. Berücksichtig werden muss, dass beide sich im Setting wohlfühlen müssen. Es genügt nicht, wenn nur eine oder einer zufrieden ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, das Einlassen und Öffnen fällt manchmal leichter, wenn es zumindest einen persönlichen Kontakt gegeben hat. Das ist aber sehr individuell. Wenn bei der Beratung der Schwerpunkt auf Sexualtherapie liegt, erleben viele Partner die räumliche Distanz zum Therapeuten sogar als unterstützend. Paartherapie per Video hat außerdem den Vorteil, dass die Therapeutin der Wahl auch in einer anderen Stadt oder einem anderen Land ansässig sein kann und damit die Auswahl erheblich größer ist, als wenn das Paar nur im direkten Umfeld sucht. 

Fazit: Paartherapie per Video ist nicht zwingend besser als die Sitzung in einer Praxis, aber wenn sich Therapeut:in und die Partner darauf einlassen, ist sie ganz gewiss nicht schlechter.


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