Ist eine Verlobung noch zeitgemäß?

Jana und Matthias haben lange gebraucht, um ihr Glück in der Liebe zu finden. Beide gehörten der unseligen Spezies von Frauen und Männern an, die sich immer wieder in den sogenannten „falschen“ Menschen verliebt haben.

Sie verliebten sich in jemanden, der oder die gebunden war und nur ein Abenteuer suchte. Oder gebunden war und sich dennoch in Jana oder Matthias  schwer verliebt hat, sich aber nicht trennen wollte oder konnte. Fast unzählig auch jene potentiellen Partner und Partnerinnen, die der „Jein“-Fraktion angehören: Von Bindungsangst gebeutelte Existenzen, die sich heute binden wollen und am nächsten Tag wieder nicht. Nicht zu vergessen in der Reihe der missglückten Beziehungsversuche sind die Kandidaten und Kandidatinnen, die Jana und Matthias online kennengelernt haben und die nach dem ersten oder zweiten Date wortlos verschwanden und sich nie wieder meldeten. Die sich also dem „Ghosting“ als Absage-Methode verschrieben haben.

Ja, ich will! Und er? Und sind wir jetzt verlobt?

Jana und Matthias haben die Geduld nicht aufgegeben. Sie haben sich weiterhin mit offenen Augen auf den Spielplätzen der Welt getummelt und auch im Internet weiterhin tapfer nach der Liebe gesucht. Dort hat es dann schließlich geklappt. Als sie sich das erste Mal getroffen haben, hat es sofort gefunkt, aber wie. Das ist zwei Jahre her, und vor ein paar Wochen hat Matthias Jana einen Antrag gemacht. Sie hat natürlich freudig „Ja“ gesagt und einen Wunsch geäußert. Sie möchte sich offiziell mit Matthias verloben, diesen Anlass feierlich mit Familie und Freunden begehen.

Das würde ihre Vorfreude und die Ernsthaftigkeit der Eheabsicht noch verstärken, beteuert Jana. Gerade weil Matthias und sie doch beide mit der Liebe so oft auf die Nase gefallen sind, sei eine Verlobung ein starkes Statement. Sie würde eine Verlobung durchaus auch als das verstehen und behandeln, was es von der Idee her ist. Eine Prüfungszeit, aber nicht im Sinne der Skepsis. Im Gegenteil, im Sinne der Entschiedenheit. Jana betont, sich verloben, das hieße in keiner Weise, dass sie Matthias misstraue, es sei für sie einfach ein Rahmen, der ihre Liebe einschließt. Ein romantisches Symbol. Matthias versteht kein Wort von dem, was Jana sagt. Für ihn ist die Verlobung ein Misstrauensvotum, er fühlt sich vorgeführt. Und überdies findet er, dass eine Verlobung ein Relikt aus einer Zeit ist, in der die Menschen vor der Ehe nicht miteinander geschlafen haben. Ein komplett veraltetes Ritual, das die Welt nicht braucht. Jana wiederum versteht kein Wort, von dem, was Matthias denkt.

Verliebt. Verlobt. Und dann?

Sie ist von Beruf Kommunikationswissenschaftlerin und arbeitet in der Forschung, sie kennt sich mit den Feinheiten von Kommunikation aus. „Gerade in Beziehungen läuft das oft komplett daneben“, erzählt sie. „Man glaubt, man streitet sich um die Sache selbst, hier in unserem Fall darüber, ob eine Verlobung heute noch Sinn macht oder nicht, das wäre die Sachebene. Oder wir streiten darüber, ob eine Verlobung ausdrücklich zwischen Matthias und mir Sinn macht, weil ich ihm nicht traue, was er mir ja unterstellt. Das ist die Beziehungsebene. Ich würde hundertprozentig sagen, dass auf der Beziehungs-Ebene alles zwischen uns stimmt.

„Worüber ich mir den Kopf zerbreche, ist, ob unser Konflikt auf der Sachebene stattfindet oder auf der Beziehungsebene“

Jana

Aus diesem Grund möchte ich Matthias heiraten. Sonst käme das doch gar nicht in Frage! Für mich macht die Verlobung einfach alles rund, ich will das ganze Programm, Verlobung, Junggesellinnenabschied, eine pompöse Hochzeit, dann Flitterwochen. Ich habe lange genug auf all das gewartet. Natürlich will ich diese Zeit nicht nutzen, um Matthias noch mal ordentlich unter die Lupe zu nehmen.


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