Ein Gutschein für Untreue fürs Beziehungsglück?

Vertrautheit ist der Gegenspieler der Lust-Fantasien

Erfolgreiche Langzeitpaare schaffen beim Sex deshalb Raum für Neues. Sie experimentieren, sie spielen, sie probieren und sie wechseln Ort, Zeit, Anlass und Choreografie. So bleibt es immer anregend und spannend. Aber mal ganz ehrlich: Wie oft geht es tatsächlich aus dem Schlafzimmer auf den Esstisch? Wie oft gibt es neue Toys? Wie oft Rollenspiele? Und wie oft werden die gewechselt? 

Für nicht wenige Paare stellt die Anforderung, immer wieder etwas Neues auszuprobieren zu sollen, puren Stress da. Nicht für beide Partner in den meisten Fällen, sondern zunächst für den einen, der sich mit dem Beziehungssex durchaus zufrieden geben würde (und beim Wort Kamasutra eher ein Ziehen in der Bandscheibe verspürt). Und dann aber natürlich vor allem bei demjenigen, der sich wirklich ins Zeug legt und kreativ sein möchte. Denn der muss und will liefern. Und nicht selten wird sein Vorschlag als zu exotisch abgeschmettert und zurückgewiesen. Und “exotisch” ist da oft noch eine extrem wertschätzende Beurteilung.

Wir haben also ein ganz normales Paar, das sich liebt, das befriedigenden Sex hat, aber eben auch ab und an das Bedürfnis verspürt, mal wieder etwas Aufregendes zu erleben, damit das Liebesleben nicht einschläft – und das weder Dreier noch Affäre noch eine sonstwie dauerhaft geöffnete Affäre möchte. Es möchte keinesfalls die Beziehung aufs Spiel setzen, nicht durch Stress und ebenso nicht durch Langeweile. Und Lügen sowieso nicht.

Für wen kann ein Fremdgeh-Gutschein funktionieren?

Wäre für dieses Paar ein Fremdgeh-Gutschein vielleicht wirklich eine gute Idee? In der Liebe lässt sich alles verhandeln, sagte bereits Paul Watzlawik und Paartherapeuten können dem zustimmen. Dennoch scheint die Idee einer Geschenkkarte in blütenweißem Umschlag, auf der steht: „Schatz, hab Spaß!“ irgendwie schrecklicher als ein Mahnbescheid vom Finanzamt.

Wer wirklich liebt, kümmert sich nur um das Glück des Partners, sagen nicht wenige Kalenderweisheiten. Wäre ein solcher Fremdgeh-Gutschein nun der Beweis, dass diese selbstlose Haltung stimmt und funktioniert? Oder Bestätigung all jener, die murren, dass in der Theorie bedingungslose Liebe super klingt, in der Praxis aber dann eben doch an Verlustangst scheitert?

Ich erinnere mich da an ein – wahres, aber natürlich anonymisiertes – Paar aus der Paartherapie. Die hatten sich beide einen Dreier gewünscht, die Eckdaten verhandelt, die dritte Person gefunden und dann das Projekt durchgezogen. Das Ergebnis blieb weit hinter den Erwartungen zurück und hätte beinahe zur Trennung geführt. Aus vielen Gründen: ein Partner fühlte sich zu viel beachtet, der andere zu wenig, trotz (oder vielleicht wegen?) bester Planung war es keine sexuelle Fantasie geworden, sondern ein Workshop. Da wurde weniger etwas ausgelebt als vielmehr etwas abgespult. Und das, so sagte sie ganz treffend: „Das können wir zu zweit besser. Viel besser.“


Weitere interessante Beiträge