Warum nicht den besten Freund heiraten?

Aber damit graben Sie einer immer größer werdenden Industrie rund um die Sexualzufriedenheit das Wasser ab. Welche Frauenzeitschrift verkauft heute nicht auf dem Titelblatt die Geschichte, wie man als Paar bis zum Beziehungsende fantastischen, immer besser werdenden Sex haben kann? Immer höher, immer weiter … In der Paarberatung erlebe ich so viele Paare, die sich von diesem Leistunsgdruck gestresst fühlen und mich fragen: „Wir mögen es ein bis zwei Mal die Woche nett und gemütlich. Stimmt etwas nicht mit uns? Sie sind also zufrieden, werden aber unzufrieden gemacht.

Der Erziehungswissenschaftler Bernhard Rathmayr bringt es in seinem Buch „Die Geschichte der Liebe“ auf den Punkt: „Der wichtigste Befund aus der Geschichte der Liebe ist der am wenigsten berücksichtigte: Die Unvereinbarkeit von Leidenschaft und Dauer. Kaum etwas ist in der Geschichte und Gegenwart der Liebe so gut dokumentiert wie das Schwinden der Leidenschaft in der Fortdauer von Beziehungen.“ Romane erzählen immer von dem Gegensatzpaar „Leidenschaft versus Ehe“. Das hat bereits vor 100 Jahren der bedeutende Liebesforscher Denis de Rougemont in seinem Werk „Die Liebe und das Abendland“ anhand der Literatur veranschaulicht.

Dazu kommt die Statistik: die schwindelerregend hohe Scheidungsquote. Sie ist der sinnfällige Beweis dafür, dass wir ein neues Liebeskonzept brauchen. Denn wie schon in der Bibel steht: Der Mensch will nicht allein sein – und soll er auch nicht.

Es ist eine anthropologische Grundkonstante, dass der Mensch nach Bindung und Gemeinschaft strebt. Nur: So wie wir das seit geraumer Zeit gestalten, funktioniert es nicht. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wir müssen umdenken. Noch mehr Leidenschaft und Sturm und Drang machen uns noch unglücklicher, das ist wie eine Sucht.


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