Warum nicht den besten Freund heiraten?

Wird Liebe überbewertet? Ist Freundschaft vielleicht die stabilere Basis für eine Beziehung und eine Ehe? Philosophin Birgit Ehrenberg und Paarberater Eric Hegmann im Gespräch über Pragmatismus bei der Partnerwahl

Eric Hegmann: Wohin entwickelt sich die Liebesbeziehung, Frau Ehrenberg? Erleben wir weiterhin eine Überromantisierung oder bewegen wir uns auf pragmatischere Beziehungsmodelle hin?

Birgit Ehrenberg: Wir bewegen uns auf alle Fälle auf pragmatischere Beziehungsmodelle hin, das steht für mich fest. Wir müssen! Mittlerweile landet fast jedes zweite Ehepaar früher oder später vor dem Scheidungsrichter. Das ist doch erschreckend, das ist traurig.

Nun geht die Scheidungsrate seit einigen Jahren zurück, wenngleich nur sehr leicht, und die Ehen dauern wieder länger. Das ist zunächst ein schöner Trend. Doch natürlich scheitern immer noch zu viele Beziehungen. Warum eigentlich? Kann es sein, dass sich Partner heute nicht mehr trennen, weil sie miteinander unglücklich sind, sondern weil sie denken, mit jemand anderem glücklicher sein zu können? Stimmt es nicht mehr, dass sich Partner trennen, weil die Liebe verschwunden ist?

Sicher hat es profunde Gründe, dass so viele Paare auseinandergehen. Da kann man natürlich sagen: Die lieben sich nicht genug! Noch mehr Liebe! Das hört sich schon lächerlich an, finde ich. Die Leute lieben sich doch genug – aber wie? Das ist hier die zentrale Frage, wobei das „Wie“ in doppelter Hinsicht zu verstehen ist. Erstens im Sinne der Quantität. Wie gesagt, meiner Meinung nach lieben sich die Menschen außerordentlich intensiv, jedenfalls was ihr eigenes modernes Verständnis von Liebe angeht. Mächtige Emotionen samt Schmetterlingen im Bauch sind das Indiz für die Wahrhaftigkeit der Gefühle, Glamour, Hochzeiten werden immer pompöser gefeiert, Valentinstag, Geschenkeflut, Liebesbeteuerungen, alles muss groß sein und schillernd, wenig Innerlichkeit, viel Außenwirkung … Der Partner muss perfekt sein und perfekte Gefühle auslösen, und er muss die Perfektion halten. Liebe wird damit zur Performance. Und zweitens das „Wie“ im Sinne der Qualität der Liebe: Liebe wird nicht nur ausschließlich als Sache des Gefühls begriffen, mehr noch, der Verstand, die Vernunft gilt als dezidierter Feind der Liebe.


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