Schlampen mit Moral – ein Buchauszug

“Wer träumt nicht davon, Liebe, Sex und Freundschaft im Überfluss zu genießen?”Diese Frage stellen sich die Autorinnen Dossie Easton und Janet Hardy und räumen dabei mit gesellschaftlich verankerten Überzeugungen gegenüber (monogamen) Beziehungen und Klischees zu polyamorer Liebe auf

Zugegeben, auch mein erster Gedanke beim lesen des Buchtitels war: “Bitte nicht noch so ein trashiges Buch von einer selbsternannten Autorin, die sich selbst als Schlampe bezeichnet und mit ihren ach so krassen Ansichten schocken und Bücher verkaufen will – jenseits aller literarischen Ansprüche”.

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Autorinnen aber bereits, das mehr dahinter steckt: Dossie Easton ist eine Ehe- und Familientherapeutin, die seit über 30 Jahren Menschen in offenen Beziehungen berät und Janet Hardy ist eine Sexualwissenschaftlerin, die schon mehrere Bücher veröffentlicht hat. Und so wird schon im ersten Kapitel deutlich, dass die Verwendung des Begriffs “Schlampe” gezielt genutzt wird, um die bisherigen Begriffs-Assoziationen ins Positive umzudeuten. Aus der Überzeugung heraus, dass es an der Zeit ist, Sex und Liebe neu zu denken.

Wir haben einen Buchauszug für euch, der noch mehr über die Überzeugungen der Autorinnen hinsichtlich Sex und Liebe verrät. Viel Spaß beim Lesen!


Sex neu denken

Haben Sie gerade Sex? Ja, haben Sie, genau wie wir. Vielleicht runzeln Sie jetzt verwirrt die Stirn. Sie tragen Kleidung, sitzen gerade in einem Restaurant oder einem überfüllten Bus. Wie könnten Sie da Sex haben?

Wir halten die Frage, wann man Sex hat, für unerheblich. Sexuelle Energie durchströmt alles, jederzeit. Wir atmen sie über unsere Lunge ein und verströmen sie durch jede Pore.

Klar, jeder kann sofort sagen, ob er gerade physischen Geschlechtsverkehr hat (wir nicht und Sie vermutlich auch nicht), aber wir wehren uns dagegen, Sex als abgrenzbare Aktivität wie Autofahren zu betrachten. Wir finden, das greift zu kurz. Wir finden, Sex lässt sich eher mit Essen vergleichen. Die meisten Menschen würden »essen« definieren als: »Nahrung in den Mund stecken«. Ein Gourmet würde bei dieser Definition aber aufjaulen: Zum Essen gehört doch auch, das köstliche Aroma einzuatmen, das kunstvolle Arrangement der Speisen auf dem Teller zu bewundern und vieles mehr. Ein Feinschmecker fängt schon lange vor dem ersten Bissen zu essen an. Geruch und Präsentation gehören für den Gourmet zum Essen dazu. Denjenigen, die sich den Möglichkeiten öffnen, kann jedes Aroma, das durch die Lüfte schwebt, von Essen künden: die Meeresbrise, die nach Austern und Seetang riecht, der torfig-whiskyähnliche Geruch von Holzfeuer. Auch unsere Augen nehmen Farben und Formen wahr, apfelrot und senfgelb, die in unserem umtriebigen Gehirn sofort Erinnerungen an das fantastische Essen vom Vortag wecken. Wir spinnen die Idee weiter, planen die nächsten Genüsse, und schon wird die ganze Welt zu einem einzigen Gourmettempel. Ganz ähnlich umgibt uns überall erotische Energie. Sie liegt in dem tiefen Atemzug, den wir nehmen, wenn wir an einem sonnigen Frühlingsmorgen das Haus verlassen. Sie findet sich im kalten Wasser eines über Steine plätschernden Bergbachs. Sie findet sich in unserer Kreativität, die uns Bilder malen, Geschichten erzählen, Musik machen und Bücher schreiben lässt. Sie findet sich in der liebenden Zärtlichkeit, die wir Freunden, Verwandten, Kindern entgegenbringen. Zusammen haben wir über 50 Berufsjahre Erfahrung als Sexberaterinnen, aber wir mussten erkennen:


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