Lässt sich Liebe einteilen?

Liebe deinen Beruf, liebe dich selbst! Überall wird von uns heute Liebe verlangt. Aber so leicht ist es nicht, gleichzeitig mehrere Liebesobjekte zu pflegen

Wen ich nicht alles lieben soll! Meinen Nächsten, meinen Schöpfer, sagt mir die Religion. Mich selbst, damit mir alle anderen egal sein können, empfehlen Ratgeber. Meinen Beruf, damit ich keine schlechte Laune bekomme, wenn ich immerhin einen Großteil meines Lebens mit etwas verbringe, was ich nicht ausstehen kann. Dass Werbung Liebe inflationär verwendet, ist längst zum Alltag geworden. Ich soll die Cola nicht nur trinken, ich soll es lieben, sie zu trinken. Gewiss gab es auch schon Filme, Serien und Fernsehshows und -Sender, die ich hätte lieben sollen.

Lieben soll ich meine Eltern, meine Geschwister, Katzenbilder, Hundewelpen, Einhörner. Und natürlich die Person an meiner Seite. Hui, das ist ganz schön viel Liebe.

Aber: Ich möchte das nicht!

Liebe ist – für mich – etwas sehr Intimes. Etwas, das zwischen mir und einer anderen Person geschieht. Liebe ist dynamisch, sie ist keine Einbahnstraße, sie verändert sich, obwohl sie dabei fest zupackt. Sie stellt Forderungen an mich, an mein Gegenüber, sie ist nicht ohne Begehren zu haben – und das kann schmerzhaft sein. Sie kann mir das Herz mit eiskalter Faust umfassen oder brechen. Immer wenn ich denke, ich weiß, was Liebe ist, ich kenne die Liebe, da kommt sie in einer neuen Verkleidung um die Ecke. Als ein Strauß Tulpen für den Schreibtisch, ganz überraschend, als Anruf einer längst verschollen geglaubten Freundin aus früheren Tagen oder als das verführerische Lächeln am Türrahmen des Schlafzimmers.

Bin ich zugewandt, achtsam und aufgeschlossen, erlebe ich Liebe in vielen Facetten. Sie ist da, ganz ohne Forderung. Und es sind diese ganzen Forderungen nach Liebe, überall um mich herum, die sie vertreiben. Ich bin wirklich glücklich, wenn ich arbeite. Mein Beruf bereitet mir immense Freude. Tatsächlich bin ich dankbar, dass ich das sagen kann, ich weiß, das geht vielen Menschen nicht so. Aber ich bezweifle, dass der Appell „Liebe, was du tust!“ sie wirklich zufriedener macht.


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