Wie die unterschiedliche Temperaturfühligkeit von Frauen und Männern zu Konflikten führt

Frauen ist immer kalt, Männern immer warm. Sie dreht die Heizung hoch, er runter. Frauen frieren schneller als Männer. Das ist eine wissenschaftliche Tatsache. Aber wie lassen die sich daraus entstehenden Konflikte vermeiden?

Neulich im ICE von Hamburg nach Berlin: Sie sitzt in dicker Winterjacke, während er sich laut stöhnend eine Schicht nach der anderen runterpellt und am Ende in T-Shirt dasitzt. Sie friert, er schwitzt.

So geht es schon immer, seitdem sich die Menschheit in geschlossenen Räumen und Fahrzeugen aufhält. Fenster auf, Fenster zu. Tür auf, Tür zu. Klimaanlage hoch-, Klimaanlage runterdrehen. Der Zoff ist vorprogrammiert.

Bevor nun wieder das „Frauen sind eben empfindlicher“-Klischee rausgeholt wird und leider viel zu oft als mieses (und ebenso falsches) Argument in Alltagskonflikten zwischen Mann und Frau herhalten muss, wollen wir an dieser Stelle zumindest mal mit Informationen aushelfen, die Frau an geeigneter Stelle im eiskalten Büro einstreuen könnte:

Frauen frieren schneller als Männer

Das ist eine wissenschaftliche Tatsache. Ist so. Kann man nix machen. Na gut, vielleicht ein wenig doch, aber dazu später.

Erst einmal lassen sich biologische Fakten herausarbeiten, die erklären, warum Frauen und Männer ein unterschiedliches Temperaturempfinden haben. Ganz einfach gesagt: Frauen haben weniger Muskeln, weniger an und dünnere Haut.

Die Biologie ist schuld

Männer haben mehr Testosteron und dies beschert ihnen eine größere metabolisch aktive Körpermasse. Heißt: Sie haben mehr Muskeln. Jedenfalls im Durchschnitt. 40 Prozent ihres Köpers bestehen aus Muskeln, bei Frauen sind es nur 25 Prozent. Muskeln produzieren Wärme. Hinzu kommt: Frauen sind in der Regel kleiner als Männer und haben damit ein ungünstigeres Verhältnis Oberfläche zu Volumen, ergo mehr Wärmeverlust.

Gegen den Wärmeverlust des Körpers hilft eine Fettschicht. Damit sind Frauen grundsätzlich besser ausgestattet, nämlich mit durchschnittlichen 25 Prozent gegenüber männlichen 15 Prozent. Aber – und das ist jetzt wirklich dumm gelaufen – wir haben uns diese Ausgleichsmasse leider, in Gedanken an die superschlanken Ideale unserer Zeit, weggehungert. Wer will schon fett sein. Dann lieber frieren.

Kleidung könnte helfen

Nur jetzt kommt es richtig übel: Wer würde sich schon an holder Weiblichkeit erfreuen, die bei nasskaltem Berliner Winterwetter in dicke Wolldecken geschnürt über den roten Filmfestspielteppich läuft? Eben. Deshalb hüllen wir unsere zarten Körper in hauchdünne Trägerkleidchen. Und das ist nicht nur beim Showfrieren so, sondern wir haben – auch im Durchschnitt und im Büro – weniger an. Dekolleté und Bein zeigen eben. Oder eben das Blüschen statt des Schurwollanzugs. Irgendwie ungerecht.

Ja und dann, liebe Leidensgenossinnen, ist da noch die Sache mit der Haut. Wir sind es doch: dünnhäutiger! Männerhaut ist 15 Prozent dicker als Frauenhaut. Also zum Anzug noch die lange Unterwäsche. Da kann niemand mehr frieren.

Zu guter Letzt macht unser Körper noch was ganz Dolles. Und das, um auch Eure (genau, Eure, liebe Männer!) Stammhalter zu schützen. Aber eben leider nicht unsere Körperwärme. Ab ca. 15 Grad drosselt der weibliche Körper die Durchblutung der Außenbereiche zugunsten der inneren Organe. Und eben auch im Falle der Schwangerschaft zugunsten des ungeborenen Kindes. Das lässt Nase, Füße, Hände und Ohren deutlich abkühlen, was im Gehirn als Untertemperaturmeldung ankommt und das Kälteempfinden auslöst. Männer reagieren prinzipiell zwar auch so, aber erst bei deutlich niedrigeren Temperaturen.

Büros in Herrenwohlfühltemperatur

Aber jetzt kommt der eigentliche Kracher. Nicht nur, dass wir für die eigene Wärmeproduktion und gegen Wärmeverluste schlechter ausgestattet sind, nein, wir müssen es auch noch in für uns schlecht temperierten Büros klaglos aushalten.

Forscher (1) haben herausgefunden, dass Büroklimaanlagen auf den Stoffwechsel eines 70 kg schweren, 40-jährigen Mann eingestellt sind. Das ist eine Empfehlung aus den 1960er Jahren. Damals hatte man keine nennenswerten Unterschiede im Temperaturempfinden zwischen Mann und Frau gefunden. Na sowas.

Wie auch immer, die holländischen Wissenschaftler stellten fest, dass sich Männer bei einer Temperatur von ca. 21 Grad wohl fühlen, während dies Frauen erst bei ca. 24 Grad tun (2). Raten Sie mal, was die derzeitige Empfehlung für die Temperierung von Büroräumen ist.

Übrigens die Empfehlung der Forscher: Die Büroklimatisierung sollte so eingestellt werden, dass sie allen Geschlechtern gerecht wird. Na, das ist ja mal richtig fortschrittlich. Herzlichen Glückwunsch!

Während die Männerwelt nun noch darüber diskutiert, ob sie bei derart tropischer Büroatmosphäre arbeitsfähig wäre, könnten wir überlegen, was wir für unser eigenes Wohlergehen tun können. Ich empfehle:

1. Pragmatisch sein

Wir könnten uns mehr anziehen, mehr essen und mehr trainieren. Oder alles zusammen. Kostet Geld. Und Zeit. Und Mühe. Puuhh.

oder

2. Temperaturgerechtigkeit einfordern 

Oder einfach bestimmen. So mache ich es bei uns daheim. Kommt nicht immer gut an. Weiß ich aus eigener Erfahrung. Und da sind wir beim eigentlichen Kern der ganzen Geschichte, auf die wir nun endlich zu sprechen kommen sollten.

Wenn es nicht nur um die Temperatur geht

Wenn Sie auf Partnersuche sind und sich durch den Parship*-Fragebogen arbeiten, dann werden Sie unter anderem gefragt, ob Sie bei offenem Fenster schlafen oder wie ein Wohnraum für Sie temperiert sein sollte, damit Sie sich wohlfühlen. Bei Ihrer Antwort, so viel darf ich Ihnen verraten, geht es nicht um die Temperatur.

Wie bei vielen unserer Alltagsthemen geht es um weit mehr als das Faktische. Oder es geht um das Faktische, aber es stellt sich für den einen ganz anders dar als für den anderen. Wie bei der Wohlfühltemperatur. Sie braucht es warm, er kühl. Leben wollen sie und er aber trotzdem zusammen.

Da man an der eigenen Temperaturempfindlichkeit wenig ändern kann (siehe biologische Fakten), lässt sich auch wenig diskutieren. Zumindest nicht im Sinne von „Du bist zu empfindlich, stell dich nicht so an“. Was da hilft ist, Sie ahnen es bereits, ein Kompromiss. Irgendwo trifft man sich in der Mitte. Also bei 22,5 Grad. Friert die eine Hälfte nur noch ein bisschen und der anderen ist es nur noch ein bisschen zu warm. Oder man führt die Herrenschwitz- und Damenfröstelwoche ein. Für keinen richtig ideal, aber wenigstens fair.

Des einen Freud, ist des anderen Leid oder: halbe-halbe

Gesegnet sind diejenigen, die so wunderbar anpassungsfähige Individuen an ihrer Seite wähnen. Das sind die, denen es nicht wichtig ist, ob das Fenster auf oder zu ist, es ein Grad kälter oder wärmer ist. Sie stellen sich darauf ein. Sie sind sozusagen wechselwarm. Herrlich ist das. Nur über so viel Anpassungsfähigkeit verfügt nicht jeder. Auch ein Partner, der großzügig (also auch wenn es ihm anders lieber wäre) und charmant eher auf das T-Shirt ausweicht, als die Frau an seiner Seite bibbern zu lassen, ist sehr willkommen. Sammelt auch gleich noch Zusatzpunkte, wenn er der Dame seines Herzens in der lauen, doch auffrischenden Sommernacht ohne Worte die dicke Wollstrickjacke aus der obersten Etage holt. (Und sie in der hintersten Schrankecke selbständig findet.)

Es ist wie immer beim Zusammenleben: Gegenseitige Rücksichtnahme, Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und das Suchen eines Kompromisses sind die Schlüssel zum harmonischen Beisammensein. Das geht mal mehr und mal weniger gut. Sind Bedürfnisse so vordergründig, existenziell und das Wohlbefinden beeinflussend, ist die Rücksichtnahme schwierig bis unmöglich. Hunger oder Durst sind solche Bedürfnisse. Frieren geht zumindest auch in die Richtung. Darauf sollte man achten. Auch darauf, dass diese Bedürfnisse erst befriedigt sein müssen, bevor es um etwas anderes gehen kann.

Angespannte Befindlichkeiten lassen Konflikte eskalieren

Wenn Sie also Ihrer Frau mitteilen wollen, dass aus dem geplanten Sommerurlaub nichts wird, weil eine wichtige Betriebsprüfung ansteht, dann sollten Sie es ihr schön muckelig warm machen und im Auge behalten, dass sie nicht gerade hungrig aus dem Büro gehetzt kommt. In so einem Zustand ist ihre Verständnisbereitschaft nämlich nur sehr eingeschränkt. Das gilt natürlich auch umgekehrt.

Das Schaffen einer Wohlfühlatmosphäre bei konflikthaften Themen gehört ohnehin zu den Dingen aus dem Beziehungs-Einmaleins. Angespannte Befindlichkeiten führen eher dazu, dass Konflikte eskalieren.

Differenzen, die wir überbrücken müssen, wird es immer geben. Aber es fragt sich, wie weit wir diese Brücke spannen können und wollen. Anpassung hat viel mit Toleranz zu tun. Sie ist der Kitt in Beziehungen, gerade in Zeiten, in denen sich jeder selbst verwirklichen will. Den anderen nehmen wie er ist und auch mal über den eigenen Schatten springen.

Was gar nicht geht: Die eigenen Befindlichkeiten auszunutzen, um den anderen in eine bestimmte Richtung zu drängen. Das ist dann Manipulation. Also immer im dicken Pulli mit eingezogenen Händen in den Ärmeln dasitzen und ein leidendes Gesicht machen, geht auch nach hinten los. Zumal es dann auch nicht mehr um die (in der Regel dem anderen vorgehaltene) Kälte geht. Jedenfalls nicht um die, die mit der Temperatur zu tun hat.

Übrigens im eingangs erwähnten ICE passierte dann noch Folgendes: Ein studentisch aussehender Jüngling trat in das Abteil. In seiner Hand: Ein Döner. Ich musste gegen diese olfaktorische Belästigung und in mühsamer Unterdrückung meines Würgereflexes sehr mit mir ringen, nicht ausfallend zu werden. Wäre es möglich gewesen, hätte ich das Fenster geöffnet. Auch gegen diesbezügliche Beschwerden. Ging aber nicht. Ich habe mich weggesetzt. Und geärgert.

Also bitteschön: Ein wenig mehr Rücksichtnahme muss doch wohl möglich sein! Auch gegenüber empfindlichen Charakteren. Oder etwa nicht?!

(* = Affiliatelink/Werbelink)


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