Unsere Tochter liebt den falschen Mann

In der Beziehung der Kinder die eigene Beziehung verarbeiten

Doch in Rüdiger brodelt es die ganze Zeit. Auch wenn Louisa wieder weg ist, bringt er seine Feindseligkeit in jedem Telefongespräch mit ihr aufs Tapet, na, mein Liebling, sagt er spöttisch, was macht denn der junge Künstler, läuft es? Dabei ist das Verhältnis zwischen Louisa und ihrem Vater besonders innig, nach und nach allerdings entfernen sich die beiden voneinander. Louisa bittet ihren Vater, dass er sie ihren Weg gehen lässt, als er es nicht lassen kann, ihr zu signalisieren, dass er Jannik für eine ganz schlechte Wahl hält, fängt Louisa an, sich zurückzuziehen. Du machst unsere Familie kaputt, wirft ihm Marlene vor. Und du machst die Zukunft von unserer Tochter kaputt, kontert Rüdiger.

„Die Sache hat sich dann mehr und mehr hochgeschaukelt“, erzählt Marlene. „Diese Feindseligkeit hat sich in unsere Beziehung geschlichen, und eines Tages ist alles eskaliert. Wir hatten einen Urlaub geplant, Rüdiger und ich, und wir wollten Louisa, ihren Bruder und Jannik mitnehmen, die Kinder natürlich zu der Reise einladen. Wir können uns das wirklich leisten.“ Mit dem Typen verreise ich nicht, hat Rüdiger gesagt. Für den gebe ich keinen Cent aus. „Ich war erschüttert, wie böse ist es, dass Rüdiger einen richtigen Kampf gegen Jannik beginnt? Gegen den Freund seiner Tochter? Dabei, und dass muss auch gesagt werden, wissen wir noch gar nicht, ob die beiden auch tatsächlich zusammenbleiben. Vielleicht trennen sich Louisa und Jannik, vielleicht ist eine gemeinsame Zukunft in einem halben Jahr vom Tisch?

Ist der Konflikt ein Stellvertreterkrieg?

Rüdiger konnte das alles in keiner Weise entspannt sehen, er hat sich verbissen in das Thema. Du musst zum Therapeuten, habe ich ihm gesagt. Jannik triggert irgendetwas in dir, ich kann das nicht mit ansehen. Wie du dich benimmst, das ist nicht erwachsen. Daraufhin hat Rüdiger etwas ganz Schreckliches gesagt, nämlich, dass ich ein verwöhntes Töchterlein bin, dem immer alles in den Hintern geschoben worden ist und dem deshalb der Sinn für Realität fehlt.“

Nachdem dieser Satz gefallen ist, packt Marlene einen Koffer und verschwindet aus dem gemeinsamen Haus. Rüdiger versucht, sie zu erreichen, er schreibt ihr eine Nachricht nach der anderen, er entschuldigt sich. Marlene antwortet ihm nicht. Sie ist nach Sylt gefahren, hat sich dort ein Zimmer genommen, denkt nach.

„Was Rüdiger mir an den Kopf geworfen hat“, sagt Marlene, „das ist nicht damit zu erklären und zu entschuldigen, dass es ihm rausgerutscht ist. Das weiß er auch. Er schämt sich in Grund und Boden. Ich hatte recht, tief in ihm ist etwas, dass er immer vor mir verheimlicht hat. Er hat es weder verkraftet noch akzeptiert, dass wir aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen, vielleicht hat er mich sogar beneidet, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass ich mit Rüdiger zusammen sein möchte. Ich finde unsere Ehe hat das verdient, sie war bis jetzt wunderbar. Und ich kann auch verstehen, dass es für einen Menschen eine enorme Belastung ist, quasi ohne Netz und doppelten Boden mühsam ein Bein vor das andere zu setzen, um etwas aus sich zu machen. Tagsüber studieren, nachts arbeiten. Mir fiel ein, dass Rüdiger zeitweise auch als Taxifahrer gearbeitet hat und das furchtbar fand, aber er musste es tun, er brauchte das Geld. Jannik ist für ihn eine echte Provokation. Und Rüdiger hat, das habe ich mir auch klar gemacht, große Sorge um Louisa. Er liebt sie sehr. Er will, dass ihre Zukunft sicher ist. Und vielleicht ist ein Körnchen Wahrheit daran, dass ich so sorglos bin, weil ich nie eine Sorge kennengelernt habe.

Rüdiger war selbst erschrocken über diesen abfälligen Satz mir gegenüber. Er hat mir beteuert, dass er aus dieser Psycho-Falle heraus möchte, dass er mit mir zusammen daran arbeiten möchte, welche Altlasten ihn und unsere Ehe und unsere Familie belasten. Ich habe keinen Zweifel daran, dass mein Mann das ernst meint. Die Feindseligkeit der letzten Monate ist von ihm abgefallen. Rüdiger und ich haben einen Termin bei einer Mediatorin gemacht. Ich bin sicher: Zu zweit kriegen wir das hin. Wir müssen erneut erkennen, wie gleich wir sind, wie sehr auf Augenhöhe, ganz unabhängig von unserer Herkunft. “

Ungelöste Konflikte kommen immer zurück

Worüber sich das Paar entzweit, lässt Rückschlüsse darauf zu, dass die beiden offensichtlich doch nicht so sehr harmonieren, was Werte und Ziele angeht. Die Frau macht sich für die Soft Skills des Partners der Tochter stark, der Mann hält ihn für eine Flasche, was die Frau wiederum für total oberflächlich hält.

Sie ist mehr als enttäuscht von ihrem Mann. Und der Mann ist enttäuscht von der Frau. Bei ihren Streitigkeiten ploppt z.B. auf, dass er sich von der Frau wünschen würde, dass sie tougher ist, und sie wünscht sich wohl insgeheim, dass er weniger hart ist im Sinne eines althergebrachten Männer-Typus.

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