Mein Freund will nicht mit mir zusammen arbeiten

Mit seinem Partner teilt man so einiges: Das Bett, sein Essen, seine Träume und Wünsche. Doch wie ist das mit dem Arbeitsplatz? Ist dort die Grenze des Teilens für viele erreicht oder können Paare auch bei einem gemeinsamen Arbeitsplatz glücklich werden? Unsere Autorin erzählt von einem Paar, dass genau vor dieser Entscheidung steht

Linda und Harry haben sich auf einer Party von Kollegen kennengelernt. Sie sind beide Texter in einer Werbeagentur, beide lieben ihren Job und sind sehr ehrgeizig. Das Paar spricht privat oft über die Arbeit, Beruf und Privates vermischt sich, die meisten ihrer Freunde sind ebenfalls Werber. Linda und Harry fühlen sich ausgesprochen wohl in ihrem Leben, in ihrer Beziehung, mit ihren Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft. Sie wollen auf alle Fälle zusammenbleiben, das steht für sie fest, sie wollen heiraten. Einen Kinderwunsch gibt es weder bei Linda noch bei Harry, sie ist 24 und er 28.

Wenn man so will, haben die zwei sich unausgesprochen versprochen, den anderen stets bei seinem beruflichen Vorkommen zu unterstützen und natürlich auch sonst. Der Beruf steht mehr oder weniger im Zentrum. Umso bestürzter ist Linda, als bei Harry in der Agentur eine Stelle frei wird, die genau auf sie passt, die außerdem einen beruflichen Fortschritt für sie bedeutet und sie deshalb wie selbstverständlich davon ausgeht, dass Harry ihr ans Herz legen wird, sich zu bewerben. Harrys Reaktion: Er will das nicht. Linda fällt aus allen Wolken, sie unterstellt ihrem Freund ein niedriges Motiv für dieses Verhalten, nämlich Rivalitätsdenken, vielleicht sogar das alte Mann-Frau-Ding, dass ein Mann es eben nicht aushalten kann, wenn die Frau in seinem „Revier wildert“ und erfolgreicher ist als er. Denn das könnte ja passieren, Linda macht ihren Job sehr gut. Georg ist empört über Lindas Unterstellung. Er behauptet, dass es seiner Meinung nach zwar der Beziehung sehr zuträglich ist, wenn beide den gleichen Beruf haben, dass es die Beziehungsharmonie aber empfindlich stören könnte, wenn man in derselben Firma arbeitet. Seine Motive seien nicht niedrig, sagt er, ganz im Gegenteil, er denkt im Sinne der Liebe.

“Das ist Verrat an unserer Liebe”

„Für mich ist das, was Harry abzieht, kein Stück liebevoll und fürsorglich, es ist ein Verrat an unserer Liebe und an unseren Idealen“, sagt Linda. „Natürlich ist es ein Unterschied, ob man sich abends in der Küche trifft, um über den Arbeitstag zu reden, oder ob man den ganzen Tag schon Seite an Seite verbracht hat, das ist mir durchaus klar. Und natürlich muss man sich weiterhin fragen, ob das nicht zu viel Nähe ist, wenn man sich immer auf der Pelle hockt. Ich stelle mir diese Fragen, ich würde gern mit Harry diese Fragen diskutieren. Ich habe allerdings zuallererst erwartet, dass er sich über die Chance für mich freut und mit mir Pläne für die Bewerbung schmiedet.

Mein Mann steht meiner Karriere im Weg

Mit seiner Abwehrhaltung nimmt Harry uns jede Möglichkeit, dass wir konstruktiv mit dem Thema umgehen können. Harry hat mich damit in einen Abgrund gestürzt, es geht wirklich ans Eingemachte. Ich bin völlig verunsichert, was den Beruf und was meine Beziehung angeht. Ich habe mich bis jetzt nicht beworben, der Countdown für die Bewerbung läuft. Bei mir ist irgendwie die Luft raus. Ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt noch bewerbe. Und ich mache das Harry absolut zum Vorwurf, aber wie. Der Mann, den ich liebe und den ich heiraten will, verbaut mir möglicherweise die berufliche Zukunft. Für mich war das wie ein innerer Vertrag, dass wir uns immer gegenseitig helfen und fördern. Harry scheint aus dem Vertrag aussteigen zu wollen.“

Harry kann nicht verstehen, dass Linda derart austickt. Aus seiner Sicht hat sich nichts geändert, ja, der Beruf ist Linda und ihm das Wichtigste. Und er will ihr helfen und sie fördern. Das ist in Stein gemeißelt, sagt er. Er glaubt nur, dass es in dieser speziellen Sache eine Abwägung zwischen Beziehungsglück und Erfolg im Beruf geben sollte.


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