Mein Freund will nicht mit mir zusammen arbeiten

Als Paar in der gleichen Firma? Da sind Konflikte vorprogrammiert.

Harry findet: „Es besteht doch kein Zweifel daran, dass ein Liebespaar in einer Firma eine Konstellation ist, die zumindest potentiell Konflikte in sich birgt. Davor kann man doch nicht die Augen verschließen. Es wäre etwas anderes, wenn wir uns in der Agentur kennengelernt hätten, in diesem Fall hätten Linda und ich damit zurechtkommen müssen, dass ich zum Beispiel keine Probleme mit unserem Chef habe und sie mit gewissen Verhaltensweisen von ihm nicht klarkommt. Ich hätte zwischen den Stühlen gesessen. Das hätte man austarieren müssen, nicht einfach, doch es wäre dann gewesen, wie es ist. Aber wozu sich solche Gratwanderungen ins Haus holen? Diese Art von zwischenmenschlichen Störungen sehe ich auf uns zukommen, deshalb bin ich nicht begeistert, dass Linda und ich Kollegen werden. Es könnte einen echten Keil zwischen uns treiben. Davon auszugehen, dass das ja nicht geschehen muss, das finde ich naiv. Es gibt immer wieder Fallstricke am Arbeitsplatz. Das sage ich nicht, weil ich Pessimist bin, das ist schlicht Alltag. Mein Motiv, Linda aus der Agentur, in der ich arbeite, heraushalten zu wollen: Ich will unsere Beziehung schützen. Wie kann Linda bloß denken, ich hätte Sorgen, sie könnte mir die Butter vom Brot nehmen im Job und karrieremäßig an mir vorbeirauschen? Dass Linda das überhaupt in Erwägung zieht, dass ich so ein schwacher Mann bin, ist es fettes Misstrauensvotum mir gegenüber. Sie ist nicht fair, sie ist nicht liebevoll!“

Nachdem die Fronten derart klar sind und das Paar erschrocken ist über die Intensität des Streits, versuchen Linda und Harry, in schier endlosen Diskussionen wieder auf einen Nenner zu kommen. Beide wollen die Beziehung retten, beide wissen, was sie aneinander haben.

„Es ist schwierig, zu diskutieren, wenn die Gemüter schon erhitzt sind, wenn sich die Positionen komplett verhärtet haben“ sagt Linda. „Vorher reden wäre besser gewesen. Vielleicht hätte ich mich nicht gleich aufregen sollen, als Harry seine Bedenken gegen die Bewerbung geäußert hat. Ich habe es wirklich als krasse Absage an mich und meine Fähigkeiten verstanden. Harry meint, dass ich in mich gehen müsste, ob ich mich in Wahrheit ihm unterlegen fühle und deshalb im Innersten getroffen bin und ihn und unsere Beziehung aus diesem Grund in Frage stelle. Ich kann mir das von mir selbst nicht vorstellen, ich würde mich als selbstbewusst bezeichnen. Doch wer weiß, welche Ängste in mir schlummern, die Harry quasi getriggert hat.

Mangelnde Kommunikation ist das Problem

Ich habe überlegt, ob ich vielleicht therapeutischen Beistand brauche. Ich habe mich dagegen entschieden, ich fühle mich einfach nicht wie ein Mensch, der innerlich zerrissen ist zwischen Stärke und Schwäche, der das mit einer Therapie aus der Welt schaffen kann und will. Ich denke, es ist eher eine mangelhafte Kommunikation, die uns hier fast das Genick gebrochen hat. Das ist das nicht das erste Mal, dass ich sofort meinen Gefühlen Ausdruck verleihe, auch gleich in den Angriff gehe und Harry beschuldige, anstatt zu sagen „Hey, bei mir kommt das so oder so an“. Manchmal zanken wir uns um das Aufräumen. Harry lässt viel rumliegen. Ich unterstelle ihm dann auch, dass er das tut, um mich zu ärgern, obwohl ich weiß, dass er sich Mühe gibt, Ordnung zu halten, ihm dennoch oft Fehler unterlaufen, weil seine Ordnung nicht meine Ordnung ist. Wäre ich nicht von jetzt auf gleich aus der Haut gefahren, als es um die Bewerbung ging, wäre Harry auch nicht sofort auf die verletzende Weise in die Konfrontation gegangen, wie er es getan hat. Allerdings ziehe ich mir diesen Schuh nicht allein an. Auch Harry ist quasi ohne Vorwarnung an die Decke gegangen. Auch er ist herausgeplatzt mit seiner Anti-Haltung, das schlug bei mir ein wie eine Bombe. Er hätte viel vorsichtiger und zurückhaltender sein müssen. In der Hinsicht ähneln wir uns sehr, wir gehen schnell hoch. Man kann wirklich sagen, dass wir zwei uns nicht viel nehmen, was Emotionalität angeht. Normalerweise bleibt das ohne Folgen, wir haben eben kaum Streitpunkte – bis auf das Aufräumen.  

Jetzt haben wir allerdings einen gewaltigen Dissens. Wir wollen uns versöhnen und haben beide verstanden, dass der Ursprung des Dramas in uns liegt, in unserem Kommunikationsverhalten. Daran kann man arbeiten, und wer könnte das besser als wir, wo wir einen Beruf haben, wo wir immer darauf achten müssen, ob und wie und mit welchen Worten wir unser Gegenüber erreichen. Darüber sind Harry und ich uns einig. Was mit der Bewerbung wird, das kann ich im Moment nicht sagen. Ich denke, ich könnte die Chance auch verstreichen lassen, wenn das unserer Beziehung dient. Das heißt in keiner Weise, dass ich hinter Harry zurücktrete. Ich möchte mich einfach auf seine Perspektive einlassen, er will sich auf meine einlassen. Wenn in der Zeit die Bewerbungsfrist verstreicht, kann ich das annehmen. Ich erkenne, dass mir die Beziehung auf alle Fälle wichtiger ist als der Job. Und ich kann anerkennen, dass es Harry genauso geht.“

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