In die Leere lieben: Wie es ist, einen depressiven Partner zu haben

Will er sich trennen? Ihr Mann isst kaum mehr, wirkt abwesend und hat keine Lust auf Sex. Die Geschichte einer Ehe, die auf eine harte Probe gestellt wurde. Aufgeschrieben von beziehungsweise-Autorin und Liebesforscherin Birgit Ehrenberg

Hoffnungsschimmer: Therapie

„Das hat mir wieder Auftrieb gegeben“, sagt Carolin. „Ich fing an, viel über Depressionen zu lesen. Eine Erleichterung, ich konnte endlich etwas tun. Für Frank, für mich, für uns. Ich war ziemlich schnell sicher, dass Frank Depressionen hat, alles passte, die Appetitlosigkeit, die Schlaflosigkeit, der Rückgang der Libido, die Apathie. Ein Kollege von Frank, die beiden sind auch gut befreundet, rief mich an und meinte auch, dass Frank dringend zum Psychiater müsse, dass er Medikamente brauche – und eine Therapie.“

Wieder liegt Caroline Frank in den Ohren, dass er zum Arzt gehen möge, keine Chance, Frank wehrt ab. Er lässt sich gehen, er wird immer dünner, er schlurft schweigend durch die Wohnung oder liegt auf dem Sofa, er vernachlässigt sich.

Lieben ins Leere

Caroline muss ihn zum Duschen anhalten, sie ist wieder verzweifelt, ihr Aufrieb ist weg. Sie hat gedacht, dass die Erkenntnis, dass Frank Depressionen hat, dazu führt, dass er sich behandeln lässt, dass er wieder der Alte wird nach einer gewissen Zeit. Sie will ihm Zeit geben, denn sie liebt ihn. „Aber es war eigentlich nichts mehr übrig von unserer Liebe, aufgefressen von der Depression, ins Nichts gefallen. Meine Liebe war noch da, ich liebte allerdings ins Leere, das hält kein Mensch lange aus. “ Und ihre innere Gewissheit, dass es nur Depressionen sein können, an denen Frank leidet, interessiert ihn nicht. Caroline kommt nicht weiter.

Ist Trennung für Caroline die einzige Lösung?

„Ich habe daran gedacht, meinen Mann, den ich so liebte und abstrakt immer noch liebe, zu verlassen“ gesteht sie. „Ich hatte schon bei dem Gedanken Schuldgefühle, aber ich war am Ende. Ich finde, es ist in den Medien zu wenig die Rede davon, was die Depression des Partners mit einem macht. Man hört selbst auch auf, zu leben. Das Entsetzliche ist, dass man nichts tun kann für den Partner, für seine Gesundheit. Hat er eine Grippe, kannst Du ihm Wadenwickel machen und Tee kochen, hat jemand eine schwere physische Krankheit und will unbedingt gesund werden, kannst Du ihn umsorgen, ihn ermuntern, ihm Liebe schenken. Frank wollte aber weder gesund werden noch wollte er meine Liebe. Er wollte nichts. Er hatte eine Mauer um sich errichtet.“

Caroline sieht noch eine Möglichkeit. Sie ruft den Hausarzt von Frank an, schildert die Lage. Sie sagt, dass Frank sich noch zur Arbeit schleppt, dass sie jedoch befürchtet, er könne seinen Job verlieren, weil er sein Pensum nicht mehr schafft. Der Arzt kommt zu Caroline und Frank, er unterhält sich mit Frank, er versucht es zumindest, auch er kommt nicht hinter die Mauer. Nach einer Stunde ist für ihn die Sache klar: Er hat es mit einem an Depressionen erkrankten Mann zu tun. Dazu müsse er kein Psychiater sein, hat er gesagt, berichtet Caroline. Zusammen mit dem Arzt kann sie Frank dazu bewegen, in die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik zu gehen, sie weicht nicht von Franks Seite. „Ich hatte inzwischen auch Panik, dass er sich etwas antun könnte.“

In der Klinik bestätigt man die Diagnose des Hausarztes. Frank beginnt eine stationäre Therapie, er bekommt Antidepressiva und wird psychotherapeutisch behandelt. Er kommt langsam zu sich, es ist, als erwache er aus einem Albtraum.

Nicht Frank war lieblos, es ist die Krankheit

„Ich habe wieder Hoffnung“ sagt Caroline. „Die Medikamente schlagen an, langsam sehe ich meinen Frank wieder, er verhält sich an vielen Punkten wie früher, seine Stimme ist lauter, er unterhält sich wieder gern, er lacht manchmal, er umarmt mich, das Essen schmeckt ihm, er macht Zukunftspläne für uns. Ich habe verstanden, dass Franks Erkrankung nichts mit mir zu tun hat. Es ist eine endogene Depression, sie kann jeden treffen, auch jemanden, der in glücklichen Umständen lebt, der geliebt wird, der liebt.

Der Mensch, der mir gegenüber so lieblos war, das war nicht Frank, das war die Krankheit. Ich habe jetzt erst erfahren, dass es bei Frank in der Familie Fälle von Depressionen gibt, die Erkrankung kann bei ihm erblich bedingt sein. Frank, der Baum war gefällt, aber er wird neu gepflanzt. Ich kann mir heute vorstellen, dass Frank wieder aus diesem Nichts hervortritt, dass unsere Liebe wieder hervortritt, dass er wieder glücklich wird, dass wir es werden. Aber er hat noch einen weiten Weg vor sich, wir haben das.“


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