Das innere Kind – Die Blaupause für alle Beziehungen

Wie die Beschäftigung mit dem “inneren Kind” Ihrer Beziehung hilft. Interview mit der Psychologin und Bestseller-Autorin Stefanie Stahl. Mit Video

Eric Hegmann: Was versteht man unter dem inneren Kind?

Stefanie Stahl: Unsere Persönlichkeit wird im Wesentlichen durch genetische Anlagen und durch unsere Kindheitserfahrungen geprägt. Insbesondere die ersten sechs Lebensjahre spielen hier eine wichtige Rolle, weil sich in dieser Zeit unsere Gehirnstruktur mit ihren ganzen synaptischen Verschaltungen ausbildet. Durch Mama und Papa lernen wir, ob wir in der Welt willkommen sind und was wir tun müssen, um geliebt zu werden. Die Beziehungen, die wir zu unseren Eltern hatten, fungieren als eine Art Blaupause für spätere Beziehungen in unserem Leben und sie prägen unseren Selbstwert. Dabei sind uns diese Prägungen normalerweise nicht so bewusst. Sie manifestieren sich in sogenannten Glaubenssätzen, wie beispielsweise: Ich bin okay! Oder: Ich bin nicht okay! Ich muss funktionieren! Ich darf nicht Ich sein! Ich komme zu kurz! usw.

Diese unbewussten Glaubenssätze, die wir in uns tragen – positive wie negative – bestimmen maßgeblich darüber, was wir wahrnehmen, fühlen, denken und wie wir handeln. Sie sind sozusagen die Programmiersprache unseres Selbstwertgefühls. Diese Kindheitsprägungen bezeichnet man in der modernen Psychologie als das „innere Kind“ oder „Kindheits-Ich“. Das innere Kind steht für unser Unbewusstes und für unsere Gefühle. Dem steht unser bewusst denkender, reflektierender Verstand gegenüber, der auch als der „innere Erwachsene“ oder das „Erwachsenen-Ich“ bezeichnet wird. Bekanntermaßen ist unser Unterbewusstsein jedoch mächtiger als unser Verstand, weswegen es sich unbedingt lohnt, mit seinem inneren Kind Bekanntschaft zu machen.

Was fasziniert Sie an diesem Modell für Ihre Arbeit als Psychologin mit Klienten?

Während meiner langjährigen Tätigkeiten als Psychotherapeutin und Seminarleiterin habe ich eine Übung zum „inneren Kind“ entwickelt, die sehr hilfreich ist. Ich unterscheide zwischen dem sogenannten „Schatten-“ und dem „Sonnenkind“. Das Schattenkind steht für unsere negativen Prägungen. Das Sonnenkind steht für unsere positiven Kindheitsprägungen und auch für die Auflösung unserer negativen Prägungen sowie für alle weiteren Ressourcen und Stärken, die wir aufweisen oder auch entwickeln können. Zunächst wird mit dem Klienten sein Schattenkind erarbeitet. Hierfür notiert man stichwortartig, wie seine Eltern „so drauf“ waren und leitet daraus dann seine persönlichen Glaubenssätze ab.

Aus diesen ergeben sich dann die persönlichen Selbstschutzstrategien. Mit diesen wollen wir unser Schattenkind vor weiteren Verletzungen beschützen. Hierzu zählen beispielsweise: Perfektionsstreben, Harmoniestreben, Macht- und Kontrollstreben; das Helfersyndrom, Angriff und Attacke, Rückzug und Vermeidung. Wenn man sein Schattenkind samt seiner Schutzstrategien erarbeitet hat, dann hat man jenen Teil seines psychisches Programm vor sich liegen, der einem immer wieder in unterschiedlichen Situationen Schwierigkeiten bereitet. Mehr ist es tatsächlich nicht: Alles dreht sich um diese negativen Glaubenssätze – der Rest ist nur Thema und Variation. Im zweiten Schritt erarbeite ich mit dem Klienten sein Sonnenkind – das ist eine konkrete Anleitung für den positiven Zielzustand.


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