Ich war beziehungsgestört – Ist das jetzt Liebe?

Dieser offensichtliche Mangel an Selbstidentität lag nicht an der Beziehung, die meine Eltern zueinander hatten und vor mir auslebten, sondern an der Beziehung zu meiner Mutter und an der Beziehung zu meinem (Stief)vater. Viele Studien und Forschungen haben ergeben, dass die Beziehung zu unseren ersten Bezugspersonen oft die Krux ist, die unser eigenes Weltbild in Bezug auf Männer und Frauen prägt. Erschwerend kommt dann oft auch hinzu, wie unsere ersten Bezugspersonen miteinander umgehen. Wenn Mutter und Vater eine intakte Beziehung führen, können (müssen aber nicht zwangsläufig) sie auch gute Eltern sein. Wenn unsere ersten Bezugspersonen jedoch gute Eltern sind, muss es nicht heißen, dass die Beziehung von Mutter und Vater intakt ist (Ausnahmen bestätigen die Regel, die so genannte Bilderbuchfamilie ist kein Märchen).

In meinem Fall führten meine Eltern eine gute Beziehung. Aber das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter war erheblich gestört. Aus ihren Glaubenssätzen bildeten sich meine Glaubenssätze. Meine Mutter war sehr dominant und bestimmend. Dass hinter ihrer kontrollierenden Bestimmtheit große Verletzlichkeit herrschte, konnte ich als Kind nur schwer erahnen. In einer Familientherapiesitzung brach sie zusammen, mit den Worten, dass sie schreckliche Angst habe, mich zu verlieren und sich immerzu um mich Sorgen machte. Jeder meiner Versuche, mich freizustrampeln, löste in ihr die Angst aus, mich zu verlieren, und desto mehr klammerte sie sich an mich. Sie wollte nur mein Bestes. Sie glaubte, sie müsse mich vor der Welt da draußen beschützen.

Leider war meine Mutter nur eine gute Beschützerin, aber eine sehr schlechte Zuhörerin. Ihre Glaubenssätze überlagerten meine wirklichen Bedürfnisse. Ich wollte keine Beschützerin. Ich wollte eine Mutter, die für mich da ist. Leider wurde sie nur ihrem Sternzeichen „Löwe“ gerecht, nicht aber ihrer Rolle als Mutter, auch wenn sie es anders sah. Sie glaubte, sie sei nur eine gute Mutter, wenn sie mich beschützt. Und mit ihrem übermäßigen „Beschützen“ beschützte sie mich nicht nur vor dem aus ihrer Sicht Bösen, sondern auch vor dem aus meiner Sicht Guten. Den Spruch „Ich meine es nur gut“ kenne ich zu gut. Als sie weinend in meinen Armen lag, nach Aufforderung der Therapeutinnen sie zu trösten, konnte ich ihre Angst leider nicht spüren. Ich fühlte rein gar nichts in dem Moment. Im Nachhinein finde ich das sehr traurig, denn meine Mutter ist kein böser Mensch und auch meine Mutter verdient Mitgefühl, welches ich ihr in dem Moment gerne entgegen gebracht hätte.

Ich erinnere mich auch an meine ersten Lebensjahre. Für meine Oma empfand ich große Liebe. Meine Mutter nahm ich nur als große Schwester wahr, die sich immer vor mich stellte. Konsequenzen stellten sich erst ein, nachdem meine Schwester geboren war, der fortan ein großer Teil ihrer Aufmerksamkeit galt.

Und so suchte ich mir fortan Frauen, die aus meiner Sicht Schutz brauchten, also vollkommen naive Frauen. Unbewusst aber geriet ich zwischendurch immer mal wieder an Frauen, die wie meine Mutter sehr dominant und bestimmend unterwegs waren. Da ich das von Zuhause so kannte, tat ich natürlich beinahe alles, um es ihnen recht zu machen, wollte ich doch keine von ihnen verlieren. Da ich Eifersucht zu Hause nie kennengelernt habe, war Eifersucht für mich auch Trennungsgrund Nummer eins. Was ich nicht kannte, wollte ich nicht haben, auch wenn Eifersucht ja im Grunde auch nur eine Form der Kompensation ist, wenn man das Gefühl hat, eine Situation nicht kontrollieren zu können. Bis zu einem gewissen Punkt ließ ich mir die Eifersüchteleien gefallen, doch sobald die Damen anfingen, mich zu kontrollieren (ins Handy gucken bspw.), triggerte das meinen Schmerz und schlug mich in die Flucht. Ja, ich war derjenige, der sich deswegen sehr oft getrennt hat. Hätte ich damals gewusst, was der Grund dafür ist …, dann … Aber hätte, hätte …


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