Swipen, klicken, liken – warum ich bei Tinder nie die große Liebe finden werde

Am nächsten Abend, alleine im Bett, öffne ich die App wieder. Ich will unvoreingenommen sein. Aber es fällt schwer. Natürlich zählt der erste Eindruck, aber will ich einen Menschen nur auf Basis seines Äußeren bewerten? Diese Oberflächlichkeit gefällt mir nicht. Vielleicht bin ich zu romantisch und glaube immer noch, dass man jemanden in all seinen Facetten kennenlernen muss, um sich ein Bild von ihm zu machen. Dass Gestik, Mimik, Sprache und Charakter eben nicht an einem Bild abzulesen sind. Hin und wieder stoße ich auf Bilder, bei denen mein Herz kurz einen Sprung macht. Natürlich ist die äußere Erscheinung auch ein elementarer Faktor dafür, ob wir jemanden attraktiv finden oder nicht. Ein Swipe nach rechts, Millisekunden des Wartens. Ist es diese kurze Aufregung, die Menschen bei Tinder oder Bumble suchen? Ist es der Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung oder die Antwort auf die Frage „Bin ich gut genug?“

Sagt ein Match etwas darüber aus, wie liebenswert ich bin? Plötzlich wird ein digitaler Like zum Indikator für Attraktivität und Begehrlichkeit.

Ich fühle mich bewertet von Menschen, die mich gar nicht kennen. Trotzdem rast mein Herz bei jedem Match. Ich beginne mir auszumalen, was mein Match für ein Typ Mann sein könnte, welche Nachricht er mir schreibt und was er von sich erzählen wird. Dann folgt: Ein Auberginen-Emoji, drei abgehakte Sätze. Es ist klar, worum es meinem Gegenüber geht. Ich bin enttäuscht. Kann man enttäuscht sein, von Jemanden, den man gar nicht kennt?

Dann, als ich eigentlich schon aufgegeben habe und wieder daran glaube den passenden Partner vielleicht auch einfach in der Bahn oder im Supermarkt zu treffen, ist ein Match dabei. Er schreibt, erzählt viel, meldet sich, klingt sympathisch. Ich bin euphorisiert. Habe ich nach all den Swipes und Matches nun doch jemanden gefunden, der sich wirklich für mich interessieren könnte? Wir verabreden uns zum Date. Ich frage nach dem Treffpunkt, doch er meldet sich nicht mehr. Match aufgelöst. Jede geschriebene Nachricht verschwunden. Als hätte es die Konversation zwischen uns nie gegeben.

Tinder rüttelt nach und nach an meinem Selbstwertgefühl. Bin ich es nicht wert, dass man mir nette und aufrichtige Nachrichten schreibt? Dass man mir höflich absagt, wenn ein Date ins Wasser fällt oder man das Interesse an mir verloren hat? Je mehr Enttäuschungen sich auf meinem Online-Dating-Konto häufen, desto mehr stelle ich das ganze Thema „Liebe & Partnerschaft“ in Frage. Ich ertappe mich dabei zu pauschalisieren, mir einzureden, dass Männer in meiner Generation eben kein Interesse mehr daran haben eine Frau ehrlich und aufrichtig kennenzulernen. Ich bin verunsichert. Gibt es wirklich nur noch diese Form von Dating in unserer digitalen Welt?

Digitales Dating bei Apps wie Tinder ist meist unverbindlich. Es ist oft wenig authentisch und eher unpersönlich.

Tinder ist wie der große Sommerschlussverkauf.

Aufgeregt kämpft man sich durch die Reihen von Schnäppchen, bis man plötzlich das eine perfekte Teil gefunden hat. Nur um dann festzustellen, dass der scheinbar schöne Kaschmirpullover doch aus Polyester besteht.


Weitere interessante Beiträge