Macht euer Glück nicht zur Standardformel für mich!

beziehungsweise-Leserin Kristin ist Single. Und es geht ihr gehörig auf die Nerven, dass ihr Umfeld sie zu einem Glück drängen will, das sie gar nicht möchte.

Ich bin Mitte dreissig, kinderlos und Single. Soweit die Hard Facts. Und die hören sich offensichtlich in vielen Ohren sehr traurig an. In den Ohren meiner Eltern, in den Ohren vieler Freunde und Bekannter, und in den Ohren völlig Unbeteiligter.

Klar, alle wissen, dass ich ein aktives Leben führe, viele Freunde habe, in spannende Länder reise und feiern gehe, als wäre ich 16 und hätte das Nachtleben eben erst entdeckt. (Naja, oder so fast) Aber: Mitte dreissig hätte man sich das Leben doch anders vorgestellt. Da dachte man doch eigentlich man sei schon weiter. Idealerweise klassisch mit Mann, Haus und Kind oder zumindest mit Eigentumswohnung und Lebenspartner, wenns denn ein bisschen unkonventioneller sein soll. Ebenfalls akzeptabel: alleinerziehend und/oder geschieden. Das ist dann zwar nicht ideal, aber zumindest hat man versucht, den rechten Weg einzuschlagen, nur dabei den falschen Partner erwischt. Das Problem ist nur: man ist eine völlig undefinierte Masse, zu der ich nunmal nicht zähle.

Mein Traum vom Glück ist unkonventioneller

Ich habe als kleines Mädchen von keiner weißen Märchenhochzeit geträumt oder mit Puppen gespielt. Ich war Ronja Räubertochter, Pippi Langstrumpf oder die Rote Zora. Ich glaube nicht an die lebenslange Liebe mit einem Partner und halte diese auch nicht zwangsläufig für erstrebenswert.

Mich erschrecken die vielen toten Beziehungen, in denen sich die Partner im besseren Fall zu asexuellen Wesen entwickeln und nebeneinander herleben, im schlimmeren Fall respektlos und unehrlich miteinander umgehen oder sich sogar bekriegen. Für Aussenstehende ähnlich furchtbar anzusehen: Wenn zwei Individuen mit ihren persönlichen Eigenschaften und Vorlieben völlig im Wir untergehen. “Theater ist ja nichts für uns.” “Also, seitdem wir zusammen sind, brauche ich das ja nicht mehr.” “Ich muss mal schauen, was der Thomas dazu sagt. Ich weiss noch nicht, was wir für Pläne wir haben.” Oder um es auf die Spitze zu treiben: “Wir sind schwanger.”

Da fehlt dann nur noch die beidseitige Ansprache als “Schatz” und die Pärchen-Regenjacken-Edition vom Kaffeeröster. Natürlich in pink für sie und blau für ihn. Ich brauche kein Haus. Was sich für andere vielleicht nach Heimat und Ankommen anfühlen mag, macht mir persönlich Angst. Das steht da, an einem Fleck, in einer Stadt, bewegt sich nicht und schreit: “Da bleibst du jetzt bis du stirbst.”

Nein, ich möchte keine eigenen Kinder

Ich will auch keine Kinder und das nicht nur, weil ich aktuell nicht den richtigen Partner zur Seite habe. Ich habe das Kinderkriegen in den vergangenen Jahren in einem langen Prozess abgewogen. Ich habe mir Lebenswege mit und ohne Kinder angeschaut, ich habe Bücher gelesen und Freunde mit Kindern gefragt. Und bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass ich mein Leben vermutlich erfüllter und glücklicher ohne Kind lebe. Das Bedürfnis nach Freiheit zu gross, der Kinderwunsch zu klein.

Vielleicht ändert sich das tatsächlich nochmal, vielleicht aber eben auch nicht. Und dass ich mit dem Risiko spiele, diese Entscheidung später mal zu bereuen, ist mir bewusst. Aber ehrlich: Wie viel schlimmer wäre es ein Kind zu kriegen und das zu bereuen. Einem Kind keine gute Mutter zu sein. Da lebe ich tausendmal lieber mit Risiko Nummer eins. Im Zweifel für den Zweifel.

Schlichtweg: ich bin nicht gescheitert, ich wurde nicht vom Leben betrogen. Ich habe genau das Leben, das ich mir als Jugendliche erträumt und nicht zu erhoffen gewagt habe: Wild, unabhängig, frei – natürlich mit Höhen und Tiefen, wie bei jedem, aber im Großen und Ganzen geht es mir gut. Ausserdem finde ich, ich kann auch stolz auf mich sein: Ich habe viele enge Freunde und wage zu behaupten, dass ein Großteil meiner Freunde mich als gute und verlässliche Freundin bezeichnen würden. Ich habe einen spannenden und abwechslungsreichen Job und trage beruflich Verantwortung. Ich habe mehr gesehen von der Welt als die meisten Achtzigjährigen. Und ich bin neugierig geblieben, lerne jeden Tag dazu und wage mich an neue Dinge.

Nein, ich bin nicht gescheitert!

Genau deswegen nervt es, wenn einem ständig durch Fragen und Anmerkungen suggeriert wird, dass man so ja nicht glücklich sein könne, dass einem doch was fehle. Die Tante drückt einem das Enkelkind in den Arm und sagt: “Steht dir gut. Deine Eltern würde sich sicher auch über ein Enkelkind freuen.” (Man stelle sich an dieser Stelle mal vor, ich hätte einen unerfüllten Kinderwunsch). Die verheiratete Freundin sagt: “Naja, ist ja gut, wenn du die Partnersuche entspannt angehst. Da kommt sicher irgendwann der Richtige. Und vielleicht siehst du das mit dem Kind dann ja auch ganz anders.” Die Freundin mit Kind sagt: “Aber stell dir mal vor du bist alt und hast keine Kinder. Findest du das dann nicht traurig? Der Vater sagt: “Dann haben wir das Haus von deinem Cousin angeschaut. Hach, jetzt wohnt der mit Mitte Zwanzig im Eigenheim und du immer noch in der WG.”

Nein. Ich will kein Kind, weil ich kein Kind möchte. Als Frau hätte ich da ja durchaus auch ohne Partner meine Möglichkeiten. Ich wohne in einer WG, weil ich mich entschieden habe in einer WG zu wohnen. Weil ich mein Geld lieber für andere Dinge als für Quadratmeter und Möbelstücke ausgebe. Weil ich so bin und weil ich mich für diesen Lebensweg entschieden habe. Und weil ihr heiraten dürft und Kinder kriegen und Häuser bauen, ohne dass ich sage: “Puuuuh, ich fürchte, irgendwann wirst du es bereuen. Bist du dir sicher?”

Gutgemeint, aber verletzend

Die einzelnen Kommentare sind sicher alle gut gemeint, aber sie nerven und verletzen. Und sie kommen so häufig und von so vielen Seiten, dass ich mich einem ständigen Rechtfertigungsdrang ausgeliefert sehe, den ich dann überkompensiere. Kommt das Thema auf Kinder, sage ich direkt, dass ich nicht verstehe, warum man seine Freiheit für so einen Rotzlappen aufgeben würde. Wird über eine anstehende Hochzeit gesprochen, habe ich die aktuellen Scheidungsquoten parat. Und auch die Investition in ein Eigenheim kann ich bei den aktuellen Immobilienpreisen gekonnt schlechtreden.

Dabei mag ich gar nicht so sein. Dabei mag ich ja jedem seinen Lebensweg und sein Glück gönnen. Ich feiere jede Partnerschaft, die mich einen Lügner straft, alle Eltern, die ihre Kinder in Liebe großziehen, ohne sich selbst zu verlieren, und jedes Haus, das für ein Leben Wärme und Heimat ausstrahlt.

Aber bitte, macht das nicht zur Standardformel für Glück.

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