Swipen, klicken, liken – warum ich bei Tinder nie die große Liebe finden werde

Dating in der heutigen Zeit findet oft digital statt. Das musste auch unsere anonyme Beziehungsweise-Leserin feststellen. Sie hat es mit Tinder versucht, doch ihr wurde nach kurzer Zeit bewusst, dass es dort nur oberflächlich und unpersönlich abläuft

Das Wichtigste zu Beginn. Ich bin jetzt seit drei Jahren Single. Unabhängig, auch alleine glücklich, habe einen Job, der mich erfüllt, eine tolle fürsorgliche Familie und wunderbare Freunde, mit denen ich mein Leben teile. Alles in allem führe ich also ein glückliches Single-Leben und was sind schon drei Jahre nach einer sehr langen Beziehung?

Nach einer Trennung ist das Beste, das einem passieren kann erstmal das Alleinsein, um herauszufinden, was man wirklich will im Leben und wer man ist – abseits der Beziehung, die den Alltag jahrelang geprägt hat. Als ich mich damals nach vielen Jahren von meinem Freund trennte, war ich mir ziemlich sicher, bald jemanden im realen Leben kennenzulernen. In Hamburg, der Single-Stadt Nr. 1 läuft man ja schließlich tagtäglich interessanten Menschen über den Weg. Auf Konzerten, beim Sport, in einem der zahlreichen Cafés oder beim Spaziergang um die Alster. Ich wurde schnell eines Besseren belehrt. Etwas hat sich verändert. Ob es das „Head-Down-Phänomen“ ist, das dazu führt, dass wir anstatt auf andere Menschen vor allem auf unser Smartphone-Display starren? Oder ist es die zunehmende Hektik im Alltag? Persönliche Begegnungen zwischen Fremden sind weniger geworden. Im realen Leben von jemand Fremden angesprochen zu werden ist zur Seltenheit geworden. Wenn sich die Begegnungen mit einem potentiellen Partner also nicht mehr im analogen, sondern virtuellen Leben abspielen, dann muss wohl auch ich mein Kennenlernverhalten anpassen. Und die zugehörigen Apps auf meinem Home-Display.

Ich melde mich also bei Tinder an. Wähle Bilder aus, von denen ich meine, dass sie mich im besten Licht zeigen und habe gemischte Gefühle dabei, mich so auf den Präsentierteller zu legen. Beim ersten Mal Wischen über den Bildschirm fühlt sich das noch ziemlich komisch an. Ich schaue mir jedes Bild genau an, lese die unterschiedlichsten Profiltexte und versuche mich zu entscheiden.

Die Bilder erfasse ich nur noch bruchstückhaft, die Texte lese ich gar nicht mehr. Anhand welcher Kriterien bewerte ich hier gerade die Gesichter der Männer auf meinem Handy-Bildschirm? Ich ertappe mich dabei aus Bildern stumpfsinnig Charaktereigenschaften abzuleiten und vorschnell Schlüsse zu ziehen über einen Menschen, den ich doch überhaupt nicht kenne. Je länger ich durch die zahlreichen Bilder swipe, desto größer wird mein schlechtes Gewissen. Ich schalte das Handy aus.


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