So nah und doch so fern

Er war ziemlich verdutzt, als ich ihn in unserer ersten Nacht fragte, ob ich bei ihm schlafen könne. Ich merkte, er würde am liebsten „nein“ sagen, tat es aber nicht. Die Nacht und auch unsere folgenden Nächte waren kurz. Sehr kurz. Wir liebten uns. Wir waren uns nahe. Er war mir nahe wie noch nie jemand zuvor. Nachts drückte er mich fest an sich. So fest, als würde er mich nie wieder loslassen. Als würde er mich nie wieder gehenlassen wollen. Geradezu symbiotisch verbrachten wir eng umschlungen unsere Nächte.

Die Zeit mit ihm war einfach wunderschön. Jede Minute, jede Sekunde. Wir lachten, schauten uns einfach nur an, verstanden uns so gut, liebten uns, schliefen miteinander. Und das alles immer und immer wieder.

Nur die Zeit, in der er nicht da war, stunden-, gar tagelang nicht auf Nachrichten geantwortet hat, war schlimm und sie wurde immer schlimmer. Er hat mich ferngehalten, sich eine Schutzmauer aufgebaut. Je näher ich ihm kam, umso weiter ging er weg. Das war schrecklich und es wurde immer schrecklicher.

Grübeln, Hinterfragen und negative Gedanken begannen, meinen Alltag zu prägen. Es machte nichts mehr wirklich Sinn. Nichts machte mehr Spaß. Ich verlor mich selbst. Er war wie eine Droge, von der ich mich abhängig machen ließ. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Der Versuch, an ihn heranzukommen, von ihm eine Antwort zu erhalten auf die Frage, was das zwischen uns sei und wohin das führen würde, scheiterte jedes Mal aufs Neue. Er brauche Zeit, war seine Antwort. Er wolle ja grundsätzlich eine Beziehung. Da er einmal so sehr verletzt wurde, ginge das bei ihm nicht so schnell. Die Distanz und die Unverbindlichkeit mir gegenüber waren sein sicherer Hafen, den er nicht bereit war, zu verlassen.

Was er damit angerichtet hat, war ihm nicht bewusst. Dass da eine Frau war, die fast alles zu geben bereit war, konnte er nicht schätzen. Er mag mich, sagte er mir immer. Er sei auch verliebt. Aber irgendetwas fehle ihm.

Im Nachhinein weiß ich, dass ich hätte tun und lassen können, was ich wollte. Das, was er brauchte, um eine Beziehung einzugehen, konnte ich ihm nicht geben. Er hätte es nur selbst tun können. Ich wusste das, aber es machte mich wahnsinnig. Es war einfach nur ein kleines Türchen zu seinem Herzen, das er hätte öffnen müssen. Aber so sehr ich versuchte, es mit allen Mitteln aufzubekommen − es ging nicht, es war so fest verschlossen.

Bis heute wünsche ich ihm von ganzem Herzen, dass er den Schlüssel dazu finden wird. Dass er ihn in der Liebe − in seiner eigenen Liebe − finden wird.

Ich weiß mittlerweile, dass ich nicht die Frau bin und sein werde, die ihm bei der Suche helfen kann und ihn begleiten wird. Auch wenn ich ihn liebe und das immer tun werde. In meinem Herzen wird er immer einen Platz haben. Und auch wenn er mich liebt.

Und dies zu wissen, ist das, was am meisten wehtut. Aber es funktionierte einfach nicht mit uns. Er weiß nicht, wie man eine Beziehung führt. Er weiß nicht, was einen guten Partner und eine gute Partnerschaft ausmacht.


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