Liebe auf hoher See

Manchmal sind Gefühle wichtiger als Vorschriften. Unsere anonyme Leserin erzählt von einer Liebesgeschichte auf hoher See, die beinahe nie begonnen hätte. Dafür hält sie bis heute an

Vor einigen Jahren stieg ich auf einem kleinen Tanker in Schweden ein. Es war meine letzte Reise als Praktikantin, weshalb ich unbedingt wollte, dass alles gut ging. Ich wollte nur lernen, fleißig sein und das Praktikum gut bestehen. An Bord war eine internationale Crew, bestehend aus Filipinos, Russen und Kroaten. Ich war die einzige Deutsche und die einzige Frau. In dem Berufsfeld keine Seltenheit und für mich längst Routine. Der erste Monat an Bord würde schwer werden, man musste sich die Männer „erziehen“. Ihnen von vornherein mitteilen, dass man keine Interesse hatte und man genauso mit anpacken konnte wie sie. Ich hatte also einen Plan.

Nachdem ich eine Woche an Bord war, gab es einen Crewwechsel. Unter anderem stieg dann auch mein jetziger Freund, damals mein Vorgesetzter, der 1. Offizier ein. Ein Kroate, zwölf Jahre älter als ich.  Als ich ihn das erste Mal sah, schlug mein Herz Purzelbäume und ihm ging es nicht anders. Während der Pausen unterhielten wir uns, wir teilten die gleichen Ansichten, hatten den gleichen Humor und verstanden uns auch ohne große Worte. Wir hatten eine spezielle Verbindung und ich war froh um jede Minute, die ich mit ihm verbringen konnte. Auch wenn die Kaffeepausen nur zehn Minuten dauerten. Ich suchte nach Ausreden, um so oft wie möglich in seiner Nähe zu sein und er tat dasselbe. Wir wussten, dass da etwas war, aber wir wussten auch, dass es nicht erlaubt war. Es gab eine interne Firmenpolitik, dass auf Schiffen keine Beziehungen zwischen Crewmitgliedern erlaubt war. Nachdem wir so etwa einen Monat zusammen verbrachten, teilte er mir eines Abends mit, dass er versuchte nach Hause zu kommen, weil er es nicht mehr aushielt, angeblich hatte er Heimweh. Ich wollte schreien, wollte ihm sagen, dass er bleiben musste, wollte weinen, aber stattdessen sagte ich bloß: „Okay. Viel Erfolg und alles Gute.“ Dann ging ich auf meine Kammer und weinte mich in den Schlaf.


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