Aus Liebe zu mir

Eine Liebeserklärung der etwas anderen Art, die im Alltag oft zu kurz kommt. Von einer anonymen beziehungsweise-Leserin. An sich selbst. Und alle, die gerade eine Trennung überwinden müssen.

Meine Liebe,

letztes Jahr ist deine Ehe in die Brüche gegangen und darüber bist du nach wie vor traurig und enttäuscht. Aber du hast in deinen 7 Ehejahren zwei bezaubernde Jungen in die Welt gesetzt und sie groß gezogen. Ihr hattet als Familie gute und schlechte Zeiten, seid in den Urlaub gefahren und es hat euch finanziell an nichts gefehlt. 

Dafür hat dein Mann gesorgt. Als die Fassade des neuen Einfamilienhauses anfing zu zerbröckeln, das dein Mann im Schweiße seines Angesichts nach der Arbeit baute, während du das erste Kind groß gezogen und dein Studium fortgesetzt hattest, hast du versucht das Gespräch mit ihm zu suchen. 

Er ohrfeigte dich verbal. Die Hausarbeit, die Kinderpflege und Erziehung wurde von ihm nicht geschätzt und haben seinen Ansprüchen nicht ausgereicht. Du hast ihn angefleht, du hast versucht das Ruder rumzureißen, du hast alles getan, was in deiner Macht stand, aber du wurdest nicht erhört. Ungehört verblassten deine Worte in Räumen mit großen Fenstern und weißen Wänden. Traumhaus. Blase. Wie eine Seifenblase, scheint schön, platzt schnell.

Du hast dein Möglichstes getan, denn du hattest deine Familie im Blick. Für die Familie. Für die Kinder. Aus Liebe zu den Kindern. Es geht immer um die Kinder. Aber was ist, wenn du auf der Strecke bleibst. Wie lange kann man eine Durststrecke überstehen? Du hast vergessen, wer du warst. 

Nicht verkrampft festhalten. Behutsam loslassen. Stück für Stück. 

Du bist nach der Geburt der Kinder in eine Rolle gerutscht, die dir immer fremder wurde. Fremdgesteuert von Kindern, KiTa, Ehemann, Schwiegereltern, gesellschaftlichen Vorstellungen. Unzufrieden wäre noch milde ausgedrückt gewesen. Wer warst du noch mal? Du bist am Ende gewesen. 

Du hattest keine Luft mehr zum Atmen. Das Umfeld hätte dich fast zerquetscht und doch stehst du hier. Erhobenen Hauptes. Du bist gegangen, ohne Job. Volles Risiko. “Du hattest Mut”, sagen dir viele Frauen. Aber du nennst es nicht so. Du nennst es Leben. Du wolltest leben, nicht überleben.

Die Kinder bleiben bei ihm

Zum Leben gehört mehr als nur die Absicherung durch einen Partner, durch eine Ehe. Vielen geht es, wie es dir ging. Sie funktionieren, ferngesteuert im Hamsterrad, das sich (Familien-)Leben nennt. Aber du hast die Kurve bekommen. Es ist wichtig sein Leben stets aufs Neue zu begutachten und gegebenenfalls anzupassen. Du hast deine Situation überprüft. Es ist wichtig, sein Leben stets aufs Neue zu begutachten und gegebenenfalls anzupassen. Du hattest keine Angst.

Jetzt, nach einem Jahr Wechselmodell, reißt du noch einmal das Ruder rum. Mittlerweile hast du einen Job. Du ziehst hier weg, raus aus der Stadt. Die Kinder bleiben bei ihm.


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