unerhört: Warum kann ich mich nicht trennen?

Ich will nicht länger die Affäre sein. Warum kann ich mich nicht trennen? Und: Er ist so unreif. Hat das eine Zukunft?

Frage: Mein unreifer Freund erfüllt mir einen wichtigen Wunsch nicht. Hat die Beziehung eine Zukunft?

Mein älterer Freund und ich sind seit mehreren Jahren zusammen. Der Beginn der Beziehung war sehr nervenaufreibend, weil er sehr unreif war und ich in seiner Prioritätensetzung ganz weit unten kam. Wir haben uns sehr viel gestritten und mehrfach getrennt, da ich sehr oft enttäuscht wurde. In einer unserer Trennungsphasen (die nie länger als einige Tage dauerten) war er weg, hat mit einer anderen Frau Nummern getauscht und sehr eindeutig geschrieben. Zum Schluss ist er auch zu ihr gefahren. Zunächst gab er nur den Kontakt zu, verneinte jedoch, dass er bei ihr gewesen sei. Als ich jedoch einen eindeutigen Screenshot fand, gab er alles zu. Das ist natürlich ein sehr großer Vertrauensbruch. Mittlerweile ist er charakterlich ein sehr angenehmer Mensch geworden, mit der Fähigkeit sich selbst zu reflektieren und unsere Kommunikation ist deutlich besser geworden. Auch hat er sein damaliges Verhalten gut und logisch erklären können. Er habe einfach einen lockeren Kontakt gesucht und Bestätigung, da wir uns so viel gestritten haben. Allerdings hat er mich diesbezüglich angelogen, da er verneinte, bei ihr gewesen zu sein. Deshalb ist das immer wieder Thema bei mir und es führt häufig zu Diskussionen und auch Streitigkeiten. Es ist einfach sehr schwer, damit abzuschließen und als ich ihn darum bat, den Kontakt noch mal zu ihr zu suchen, damit ich von ihr bestätigt bekomme, dass dort nichts lief, sagte er, dass er das nicht tun werde und sein Wort mir reichen sollte. Kognitiv verstehe ich seine Reaktion, emotional hingegen überhaupt nicht, da es mir ja helfen würde. Er ist der Meinung, er ist zu einem besseren Menschen durch mich geworden. Das klingt sehr positiv – trotz bestehender Problematik. Ich jedoch habe Angst, dass es niemals aufhört und diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist.

Antwort: Sie haben ein Ungleichgewicht in Ihrer Beziehung, das Sie verändern sollten

Sie beschreiben einen Wandel Ihres Partners in seinen Verhaltensweisen und seiner Kommunikation, Sie formulieren diese sehr positiv – allerdings fällt mir auf, dass diese “Verbesserungen“ sich in allen Bereichen um Ihre Erwartungen, Ihre Ansprüche und auch Ihr Urteil handelt. Möglicherweise ist das nicht so gemeint, doch beim Lesen Ihrer Beschreibung drängt sich der Eindruck auf, dass Sie Ihren Partner in den vergangenen Jahren nach Ihren Vorstellungen geformt haben. Aus einem „unreifen, wenig reflektierenden Mann – der einige Jahre mehr Lebenserfahrung besitzt als Sie – zu einem “charakterlich sehr angenehmen Menschen“, der „sich erklärt“.

Nun erleben Sie, dass Ihr Partner Ihrem Willen nicht folgen möchte. Unabhängig davon, ob sein Verhalten eine gute Entscheidung war, ist es möglich, dass es nicht um den beschriebenen Konflikt geht, sondern darum, dass Sie Ihren Wunsch nicht durchsetzen können – und was das für Sie und Ihre Bewertung Ihrer Beziehung mit Blick auf die gemeinsame Zukunft bedeutet?

Vielleicht gewinnen Sie etwas Klarheit, wenn Sie für sich selbst einige Fragen beantworten:

  • Sie schreiben, er sei durch Sie zu einem besseren Menschen geworden. Welches Kompliment, welche Anerkennung wünschen Sie sich von Ihrem Partner darüber hinaus?
  • Wie wichtig ist Ihnen Lob und Anerkennung?
  • So wie Ihr Partner sich offenbar in den vergangenen Jahren verändert hat: Welche Veränderungen haben Sie bei sich erlebt oder sich vorgenommen und erreicht?

Sie formulieren die Furcht, dass „es“ niemals aufhört und diese Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Das ist eine interessante Formulierung. Wer oder was ist „es“? Das Misstrauen? Oder ist es „Ihr“ Misstrauen? Welcher Richter verurteilt Beziehungen zum Scheitern? Sind nicht einzig die beiden Partner in der Position, eine solche Entscheidung zu treffen? Mit Ihrer neutralen Beschreibung reduzieren Sie Ihren eigenen Einfluss. Mein Eindruck ist, Sie hadern mit Ihrer Beziehung mehr als Ihnen lieb ist. Die bisherigen Veränderungen Ihres Partners scheinen für das Bild, das Sie von einer Beziehung haben, nicht ausreichend zu sein und das zeigt sich nun in diesem Konflikt. Durch Ihren Blick zurück verbauen Sie sich den Blick nach vorne. Ich vermute, dass Sie sich von Herzen ein Zeichen Ihres Partners wünschen, Ihre Beziehung nach vier Jahren auf eine neue Stufe zu stellen. Sie könnten darauf den gemeinsamen Fokus legen, statt sich an einer alten Geschichte abzuarbeiten, die wie Sie sagen, während  einer Trennungsphase geschehen ist.

unerhörtehrlich

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