unerhört: Haben wir bei so vielen Unterschieden eine Chance?

Kann trotz der vielen Unterschiede aus unserer Beziehung noch etwas werden? Der anonymem beziehungsweise-Leserin fehlen in ihrer Partnerschaft die Gemeinsamkeiten.

Frage: Wir sind so verschieden, dass ich mich langsam entliebe. Lohnt sich diese Beziehung noch?

Ich bin 55 Jahre alt, war viele Jahre lang ohne Beziehung und habe letztes Jahr in der Kur einen Mann kennengelernt und wir haben uns ineinander verliebt. Wir beide waren völlig aus dem Häuschen und happy, uns gefunden zu haben.

Das habe ich zumindest anfangs als großes Geschenk empfunden: im “fortgeschrittenen Alter” und schon so lange alleine nochmal jemanden kennenzulernen, der gut passt. Dass die Beziehung überhaupt zustande kam, ist eher meiner Initiative zu verdanken. Er traute sich nicht so recht, obwohl er schon sehr interessiert war. Nun kommt hinzu, dass wir hunderte Kilometer auseinander leben und eine Fernbeziehung führen.

Ich lebe in einer Metropole, er wohnt in einem Kaff in einem Haus, das er einst für seine Familie erbaut hat. Also vollgestopft mit Erinnerungen an die frühere Ehe und Familie. Wegen der Corona-Situation war es mir allerdings möglich, fast ausschließlich im Homeoffice und mobil zu arbeiten. Daher habe ich zeitweise immer wieder mehrere Wochen bei ihm gelebt und konnte so “hautnah” unsere kulturellen Unterschiede erleben.

In der Tat liegen Welten zwischen uns, auch was das Mindset angeht

Das wäre insofern kein Problem, wenn man sich darüber als Paar gut austauschen und verständigen könnte, aber genau daran hapert es in der Beziehung. Alle Gesprächsversuche meinerseits laufen meist ins Leere. Es herrscht viel Unverständnis und er geht leider Konflikten aus dem Weg.

Ich merke, dass ich mich emotional immer weniger in dieser Beziehung gesehen fühle und nach rund einem Jahr beginne ich mich langsam aber sicher zu entlieben. Ich brauche emotionalen und intellektuellen Austausch – unsere Gespräche drehen sich aber immer nur um Banalitäten und die Familie und ich fange an, mich schrecklich zu langweilen. Zudem haben wir ein recht unterschiedliches Bildungsniveau. Und er ist absolut kein Macher-Typ: Er sagt etwas, tut aber nix. Vieles läuft ins Leere. Die Freizeitgestaltung und das Soziale innerhalb der Beziehung wird komplett von mir angestoßen. Das macht mich wahnsinnig, weil mir allmählich jede Perspektive für die weitere Zukunft der Beziehung verloren geht.

Eine Bekannte von mir meinte, es lohne sich nicht in eine Beziehung zu investieren, wo so wenig Veränderungswillen da ist. Nun wissen wir ja alle, dass man den anderen nicht wirklich verändern kann. Ein Umzug in seine Heimat kommt für mich aus beruflichen Gründen nicht infrage (abgesehen davon, dass dieses Kaff total öde ist) und auch er kann nicht dort weg, da er in einem selbständigen Betrieb arbeitet. Perspektivisch würde die Fernbeziehung also noch mehrere Jahre so gehen, mit vielen Kompromissen meinerseits. Ich merke, wie ich daran allmählich die Lust verliere, andererseits fällt es mir schwer die lieb gewonnene Zweisamkeit auch wieder aufzugeben.

Diese Ambivalenz macht mich gerade verrückt und daher schreibe ich euch jetzt meinen ganzen Salm und hoffe auf einen guten Rat.


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