unerhört: Mein Mann hat eine emotionale Affäre

Frage: Er will mich und die emotionale Affäre. Was kann ich tun?

Seit längerer Zeit hat mein Mann eine emotionale Affäre mit einer Bekannten. Sie schreiben sich Textnachrichten mit Herzchen usw. Er stritt es erst ab und unterstellte mir, paranoid zu sein. Ich habe aber die Beweise gesichert. Als ich ihm die vorlegte, gab er es zu. Jetzt kam es zur Aussprache: Er will auf die Frau nicht verzichten und auf mich auch nicht. Er will alles. Da mache ich nicht mit. Das habe ich ihm gesagt. Er scheute schon immer Verpflichtungen und Commitment und hat auch noch Kontakt zur Ex. Was kann ich tun?

Antwort: Eine Lösung gibt es wohl nur, wenn Sie noch gemeinsame Ziele benennen können

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wünscht Ihr Mann eine Art Öffnung Ihrer Ehe, weil er seine emotionale Affäre mit einer anderen Partnerin fortführen möchte. Für Sie aber ist das unvorstellbar. Ich mache jetzt keinen wirklichen Unterschied zwischen einer emotionalen und körperlichen Affäre. Denn mir ist nicht klar, ob Ihr Mann Intimität mit dieser Frau grundsätzlich ausschließt.

Sie schreiben, dass Sie bereits seit 20 Jahren verheiratet sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie in den vergangenen zwei Jahrzehnte bereits häufiger Konflikte verhandelt haben, die unlösbar erschienen. Bitte fragen Sie sich:

• Was haben Sie damals getan, um diese Konflikte zu lösen?
• Gibt es etwas, das Ihnen damals geholfen hat und das Sie erneut probieren möchten?
• Was war damals, weswegen Sie vielleicht noch eine Lösung gesucht haben?
• Und was ist heute anders? Was hat sich verändert?

Unbedingt sollten Sie und Ihr Mann für sich und gemeinsam Antworten finden auf diese Fragen:

• Was verbindet uns noch?
• Was sind unsere gemeinsam geschaffenen Erfahrungen und Werte?
• Sind uns die noch wichtig?
• Möchten wir auf denen aufbauen?

Und vor allem:

• Haben wir noch gemeinsame Ziele und Visionen?
• Wie stellen wir uns unseren Ruhestand vor?
• Kann ich mich darauf freuen oder bereitet mir diese Veränderung eher Angst?

Wenn Sie den Eindruck haben, da gibt es nichts mehr, um das es sich zu kämpfen lohnt, dann scheint mir eine Konsequenz unvermeidbar. Und das ist manchmal die einzige Möglichkeit, um eine neue Türe öffnen zu können.

Ich arbeite häufig mit Paaren, die viele Jahre und Jahrzehnte zusammen sind und die sich überlegen, ob sie ihre Beziehung öffnen und wie dies aussehen könnte. Welche Dinge sie verhandeln müssten, welche Dinge akzeptabel und welche auf keinen Fall akzeptabel wären.

Nach meiner Erfahrung ist es durchaus möglich, aber dazu müssen beide Partner bereit sein. Es darf nicht nur um den individuellen Vorteil gehen, sondern um etwas, was die Beziehung und die Partner als Paar weiterbringt. Sieht das ein Partner nicht so, dann kann eine Öffnung nicht funktionieren, und wenn der andere Partner darauf dennoch besteht, gibt es wohl keinen Kompromiss und keinen Mittelweg. Dann sind die Bedürfnisse und Wünsche der Partner zu verschieden geworden, um eine harmonische und sichere Verbindung zu leben.

Ob das aber tatsächlich so ist, müssten Sie prüfen. Vielleicht drückt ihr Partner damit eine Art Veränderungswunsch Ihrer Ehe aus, zugegeben nicht wertschätzend, so wie Sie das schildern, aber leider sind in Konfliktsituationen Partner selten so wertschätzend, wie sie es sein sollten und sein könnten.

Wenn es Ihnen gelingt, hier einen Hilferuf in seinem Verhalten zu erkennen, dann könnten Sie mit Unterstützung versuchen herauszufinden, ob Ihre gemeinsame Reise tatsächlich zu Ende geht. 20 Jahre Ehe sind ein gewaltiger Teil Ihres Lebens. Ob dieses Kapitel nun abgeschlossen ist oder ob Sie es fortschreiben möchten, können und dürfen am Ende nur Sie für sich entscheiden.

Mein Eindruck ist, alleine, kommen Sie aus dieser schwierigen Phase nicht heraus. Deshalb möchte ich Ihnen raten, sich Unterstützung durch eine/n Paartherapeut:in zu suchen, um gemeinsam mit Ihrem Mann herauszufinden, ob es noch einen Weg zur Annäherung gibt.