unerhört: Er hat mich belogen und betrogen und ist nun im Gefängnis. Wie kann ich ihm wieder vertrauen?

Unsere Leserin wurde von Ihrem Partner betrogen und belogen. Jetzt ist er in Haft und sie wartet auf seine Rückkehr und will wissen, wie Sie die Wartezeit überstehen und lernen kann ihm wieder zu vertrauen.

Antwort: Sind Sie wirklich verliebt oder nicht vielleicht emotional abhängig?

Mich macht ehrlich betroffen, dass Sie um Unterstützung bitten, um mit dem Fehlverhalten Ihres Partners zurecht zu kommen. Sie fragen nach Tipps, wie Sie den Vertrauensverlust verarbeiten können, weil Sie im Moment emotional “die Hölle” erleben. Sie sind krank geworden durch sein Verhalten – und weiterhin übernehmen Sie Verantwortung für sein Handeln, das Ihnen geschadet hat. Aus der Ferne ist das seriös nicht zu beurteilen, aber in Ihrem Schreiben schildern Sie ganz typische Symptome einer emotionalen Abhängigkeit.

Sie misstrauen Ihrer eigenen Wahrnehmung, sie entschuldigen sein Verhalten, Sie unterdrücken Ihre Sorgen und Befürchtungen und wünschen sich Hilfsmittel, damit diese Sorgen Sie nicht länger quälen – statt die Ursachen näher zu betrachten. Ihre Sorgen sind nämlich möglicherweise berechtigt und wollen Sie vor weiteren Verletzungen schützen und sollten wahrscheinlich nicht unterdrückt, sondern angehört werden. Sie haben das Vertrauen in Ihren Partner nicht einfach so verloren wie einen Schlüsselbund, er hat dieses Vertrauen missbraucht und es ist nun an ihm für Sie wieder vertrauenswürdig zu werden. Was Sie unternehmen sollten, um sich vor weiteren Verletzungen zu schützen, ist sich darauf einzustellen, dass Ihr Vertrauen erneut missbraucht wird.

Missverstehen Sie mich nicht: Es geht nicht darum, ob Sie ihm eine zweite oder dritte Chance geben, machen Sie das, wenn Sie überzeugt sind dies tun zu wollen! Doch bitte bedenken Sie dabei: er alleine ist in der Pflicht Ihnen Sicherheit zu geben und alles dafür zu tun, dass er wieder vertrauenswürdig für Sie wird und bleibt. 

Sie sind es wert, dass er Sie nicht erneut belügt oder betrügt!

Nach Ihrer Schilderung ist Ihre Beziehung von Anfang an nicht auf Augenhöhe gewesen und Ihr Partner hat Ihre Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft wiederholt und nicht nur einmalig ausgenutzt. 

Sie schreiben, dass die vergangenen Wochen die Hölle für sie waren und Sie auch nicht arbeiten konnten. Diese Symptome alleine sollten Sie als Warnzeichen annehmen, dass Ihnen diese Beziehung ganz offensichtlich nicht guttut. Häufig erleben Betroffene solche Symptome, wenn sie durch einen inneren Zwiespalt zwischen Gefühlen und Vernunft hin- und hergerissen sind. Weil der Konflikt zwischen Selbstschutz und Leidenschaft erschöpft und aufreibt.

Sie schreiben, das „Warum“ plagt Sie. Ich vermute, es gibt zwei „Warum“, das Sie beschäftigen. Einmal das Warum, weshalb Ihr Partner getan hat, was er tat und Sie betrogen und belogen hat, obwohl Sie ihn aufgenommen haben. Dafür werden Sie keine alleine Antwort finden, die muss er Ihnen geben. Wenn er das nicht kann, ist es dennoch nicht Ihre Aufgabe, selbst eine Antwort zu finden. Im Gegenteil sollte Sie das eher sehr vorsichtig werden lassen, wenn Sie keine befriedigende Antwort erhalten.

Und das zweite Warum ist vermutlich, weshalb Sie den Betrug nicht bemerkt haben und wieso Sie Ihrer Wahrnehmung nicht mehr trauen können. Diese Fragestellung ist sehr verständlich in Ihrer Situation, gleichzeitig beeinflusst sie negativ Ihren Selbstwert und genau den müssen Sie dringend stärken, wenn Sie eine Beziehung auf Augenhöhe führen wollen. Sie sollten sich ganz dringend klar machen, dass Sie eine solche Behandlung nicht verdient haben und Ihrem Partner klare Grenzen aufzeigen. Liebe ist ein Tu-Wort, das heißt, am Ende zählen die Taten und nicht die Worte und auch kein mitleidserregender Blick.

Geben Sie ihm eine zweite Chance – wenn er mit Taten gezeigt hat, dass er Ihr Vertrauen wieder verdient hat. Geraten Sie nicht eine emotionale Abhängigkeit und prüfen Sie, ob Sie nicht bereits Liebe mit einer emotionalen Abhängigkeit verwechseln.

Mit Ihrem Schreiben haben einen Schritt gewagt und einen externen Blick auf Ihre Situation erbeten, weil Sie gespürt haben, dass Sie alleine nicht weiterwissen und sich etwas verändern muss, damit Ihre quälenden Gedanken ein Ende haben. Gehen Sie den nächsten Schritt und wenden Sie sich an psychologische Unterstützung in Ihrer Nähe, um aus dem Grübeln herauszukommen und wieder zu Ihrer Stärke zurückzufinden.

unerhörtehrlich

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