Wie sage ich ihm, dass ich ihn vermisse?

Zu sagen, ich vermisst ihn oder sie, ist für manche undenkbar. Dabei ist es ein Kompliment und ein Commitment. Traust du dich?

Selbstbewusstsein wirkt attraktiv, Bedürftigkeit hingegen schreckt ab. Zu sagen, du vermisst ihn oder sie, ist für manche deshalb undenkbar. Wann ist Vermissen zu etwas Schlechtem geworden? Und wie sagst du es, wenn du Sehnsucht verspürst?

Auf gar keinen Fall dürfen heutige Partnersuchende bedürftig wirken. Abwartend geht klar. Verzweifelt? Never! Stattdessen gilt es, sich als begehrenswert zu inszenieren. Und da ist Coolness die Wirkung der Wahl. Bedeutet dass, dass du nicht sagen oder zeigen darfst, dass du deinen neuen Schwarm vermisst?

Cool bedeutet distanziert

Vor allem Klientinnen betonen in meiner Praxis mit größter Überzeugung, dass sie auf keinen Fall einem Schwarm auf die Nerven gehen möchten und deshalb prinzipiell darauf warten, dass dieser den ersten Schritt unternimmt. Als Erklärung höre ich häufig, dass dies ja auch ein Zeichen von verbindlichem Interesse wäre. Genauso könnte man jedoch auch sagen, dass Spam-Massenmails von glücklichen Erben, die gegen eine Vermittlungsgebühr dich an ihrem Reichtum einfach so beteiligen wollen, ein Zeichen von Seriosität sei. Nicht. Ganz im Gegenteil könnte vielleicht sogar sein, dass in einer Zeit, in der Gefühle nur gezeigt werden, wenn man sich „ganz sicher sein kann“, es besonders mutig – und daher ein Zeichen von ernsthaftem Interesse – sein könnte, seine Sehnsucht auszudrücken?

Es ist nämlich kompliziert 

Zunächst einmal wünschen sich Menschen unterschiedlich viel Nähe und Distanz. Jede Beziehung ist der täglich gelebte Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Verschmelzen und Einheit und Geborgenheit sowie dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung, nach Freiraum und Autonomie. Der ist nicht immer leicht auszuhalten, denn jeder Wunsch nach Nähe und Aufmerksamkeit kann in einer Zurückweisung enden, weil der andere in gerade diesem Moment eher Selbstverwirklichung braucht. 

Weil wir wissen, wie anstrengend und schmerzhaft eine Beziehung mit einem Partner sein kann, dessen Bedürfnisse gerade bei Nähe und Distanz extrem unterschiedlich sind von den eigenen, achten die meisten Menschen bei der Partnerwahl sehr genau darauf. Manche bewusst, die meisten eher unbewusst: auf lange Pausen zwischen Textnachrichten, auf verpasste Verabredungen ohne echte Gründe. Beim kleinsten Verdacht reagieren Singles aus gutem Grund mit Vorsicht und Misstrauen. Denn kann das passen, wenn man bereits zu Beginn mit seinem Wunsch nach Kuscheln auf dem Sofa oder Freiraum für sich weit auseinander liegt? 


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