Was ich durch meine Dating-Erfahrung in Berlin gelernt habe? „Nein!“ sagen

Einiges habe ich in Berlin lernen müssen. Vor allem „Nein.“, sagen. Hier war ich erst einmal auf mich allein gestellt und musste mich in der neuen Umgebung zurechtfinden.

Zuerst lebte ich in einer WG mit 2 Norwegerinnen und einen Abend gingen wir aus. Ich verließ die Party früher als die beiden, weil ich etwas zu viel getrunken hatte und nur noch ins Bett wollte.  

Zuhause angekommen zog ich mich nur kurz um und ging direkt ins Bett. Irgendwann, keine Ahnung wie viel Uhr es war, wachte ich auf und war immer noch total benebelt. Im Zimmer war es stockdunkel, es waren echt gute Rollos. Ich merkte im Halbschlaf, dass ich nicht allein im Bett war und jemand an mir rummachte. Ich war total benommen und verstand erst einmal gar nichts. Wusste nicht, ob ich noch träumte oder wirklich wach war.  

Ich dachte sogar kurz, dass ich vielleicht jemanden mitgenommen und es einfach nur vergessen hätte. Schön dumm – oder einfach nur sehr verwirrt. Dann bekam ich kurz Angst und verfiel in Schockstarre, weil ich dachte, er sei ein Einbrecher, besser gesagt: Vergewaltiger.  

Na ja, er fragte mich dann auf einmal, auf Englisch, ob ich ein Kondom hätte. In dem Moment sprang ich auf und rannte ins Bad, denn mir wurde klar: scheinbar waren meine Mitbewohnerinnen heimgekehrt und hatten noch jemanden mitgenommen, der sich dann wohl in der Tür geirrt hatte. Sie sprachen halt nur Englisch, das war mein erster klarer Gedanke, der mich zurückholte und realisieren ließ, dass ich wirklich wach bin und das gerade passiert.

Fluchtreflex! 

Ich ging zurück ins Zimmer, machte das Licht an und sagte ihm, dass ich nicht die bin, für die er mich hält. Es war ihm unfassbar peinlich, er hat sich mehrmals entschuldigt und ist gefühlt noch schneller draußen gewesen, als ich zuvor noch ins Bad geflüchtet bin. In dem Moment wurde mir wirklich bewusst, wie hilflos wir eigentlich im Schlaf sind – und betrunken. Ekelhaftes Gefühl! 

Wieder was gelernt und fortan allgemein etwas radikaler gewesen. Der Gedanke, dass es ihn scheinbar nicht gestört hat, dass ich absolut nicht anwesend war bei der Aktion, hat mich irgendwie nicht losgelassen. Und dann habe ich viele solche Geschichten von anderen Frauen gehört.  

Bei einem anderen Date in Berlin kam ich in die Situation, in der es eigentlich klar war, dass wir Sex haben werden, aber währenddessen, besser gesagt, kurz nach Beginn, hat es sich für mich super komisch angefühlt. Ich habe versucht mich drauf einzulassen, aber seine fehlende Empathie und absoluter Perfomance Zwang haben mich angewidert. Er wirkte unsicher, aber zugleich auch viel zu überzeugt von sich selbst .  

Schließlich bin ich einfach aufgesprungen und habe ihm sehr forsch gesagt, dass er sofort gehen soll und dass das hier für mich vorbei sei. Zuvor hatte ich ihn ein, zwei Mal drauf hingewiesen, dass sich das alles gar nicht gut anfühlt, aber er schien recht beratungsresistent. Mag ich gar nicht. Er war ziemlich erschrocken über meine klaren Worte, zog sich an und verschwand kurz darauf. Aus dem Taxi hat er mir dann eine Nachricht geschrieben, dass ich es ja netter hätte formulieren können. „Ich hatte es versucht, du hast nicht auf mich gehört. Selbst schuld.“, war meine Antwort.

Ich denke, das ist okay

Es ist auch okay, sich mittendrin umzuentscheiden und einfach abzubrechen, wenn der Sex oder die Berührungen sich nicht gut anfühlen. Nicht so gut, wie erhofft. Auch, wenn Mensch vorher bereits zugestimmt hat. Meinungen ändern sich eben, Emotionen auch. Fertig.  

In einer Doku über Berlin habe ich mal den Satz gehört, die Stadt sei „Disney Land für Depressive“. Das fand ich witzig und irgendwie passend. Zumindest kam es mir letzten Winter so vor. Okay, zugegeben: Es war auch ein wirklich harter Winter – im Lockdown. Dennoch ist mir aufgefallen, und letztlich war es auch der Grund, wieso ich das Online Dating monatelang komplett an den Nagel gehangen habe, wie viel Dunkelheit in vielen Menschen herrscht und wie sehr Mensch sich davor schützen muss. Am Ende kam es mir so vor, als würde ich für einige eher Therapeutin und Life Coach spielen, als dass ich wirklich etwas aus der Verbindung ziehen würde.  

Aber ich hatte mir selbst doch gerade hiervon Leichtigkeit und Gelassenheit gewünscht

Meine Stimmung war dank mieser Auftragslage, mangelndem Licht und teilweise echt fieser Kälte, ohne irgendeine Form von Ablenkung und Unterhaltung, auch nicht die Beste. Dann ist es natürlich doppelt zehrend, wenn man sich selbst und andere bei Laune halten soll.  

Also lieber doch allein sein und die eigene Schwere aushalten, aber dafür auch in vollen Zügen die schönen Momente genießen. Egal, was ich damit sagen will: Ich musste (wieder einmal) lernen, wie wichtig es ist, „Nein“ zu sagen. Um sich selbst zu schützen und die eigenen Ressourcen zu wahren.  

Am Ende kann ich andere Menschen eben nur glücklich machen und unterstützen, wenn ich selbst happy bin. Also, immer schön sparsam mit den eigenen Reserven umgehen und Grenzen setzen. Egal, ob es um eure emotionalen Ressourcen oder euren Körper geht.  

Euer Körper, euer Wohlbefinden. Wenn dein Gegenüber dann enttäuscht ist oder sogar wütend reagiert, dann war es definitiv die richtige Entscheidung. Ich persönlich fahre echt gut damit und habe gelernt, dass ich mich selbst seitdem auch wieder viel mehr wertschätze und es im Gegenzug auch bei anderen tue.  

Grenzen setzen kann so respekteinflößend sein!

Wirkt selbstbestimmt. 


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