Bin ich als Affäre mit am Fremdgehen „schuld“? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

Zu einer Affäre gehören zwei Personen: Die vergebene Person, die ihren Partner betrügt und die Person, die bei der Affäre mitmacht. Der Komplize, wenn man so will, ohne den das Delikt nicht möglich wäre – zumindest nicht in der Ausführung, wohl aber im Gedanken. Bin ich als Affäre mit für den Betrug verantwortlich? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

Aber der Grund, weshalb die beiden Schluss machten, wollte ich dann doch nicht sein…

„Aber du hast doch eine Freundin“, sagte ich deshalb auf besagter Party vor knapp 10 Jahren und meinte es auch so. Wirklich lange hielt sich dieses Argument aber nicht. Die Chemie zwischen uns beiden war unbestreitbar. Wir lachten über dieselben Dinge, konnten uns kaum ansehen, ohne dabei rot zu werden und jeden Mittwoch, wenn wir zusammen im Seminar saßen, strahlten wir schon beim Betreten des Raums über beide Ohren. Wir waren wohl ziemlich genau das, was man unter „verliebt“ versteht. Zwei Kopflose, die zum größten Teil nur aus Glückshormonen und Liebeswahn bestanden. 

Ein paar Wochen später fingen Julian und ich deshalb an, uns zu treffen. Was soll man gegen Liebe schon machen und es war ja offensichtlich, dass wir beide ineinander verliebt waren. Dann musste doch bei ihm in der Beziehung eh etwas im Argen sein und ich war also nichts, als die Rettung. Anfangs dachte ich, Julian würde sich von seiner Freundin trennen. So kannte ich es von meinen bisherigen Beziehungen und all meinen Freundinnen. In den mittlerweile 18 Jahren, die ich Beziehungen führe, gab es kaum eine Beziehung, die ganz ohne Fremdgehen auskam. Und Mist, während ich diesen Satz hier schreibe, fällt mir auf, dass tatsächlich keine einzige meiner Beziehungen ohne Fremdgehen auskam. Die dreimonatigen „Beziehungen“ als Teenager, die ich hatte, endeten allesamt und ausnahmslos immer damit, dass entweder mein Ex-Freund oder ich mich in die Arme der nächsten Beziehung geknutscht hatten und uns dann erst trennten.  

Man ist zusammen, man betrügt sich, man trennt sich.

Deshalb fand ich damals auch nicht, dass allzu viel dabei war, etwas mit einem vergebenen Typen anzufangen. Seine Beziehung, sein Problem und er müsste es regeln. Julian machte aber auch Wochen, nachdem wir mal zusammen im Kino gewesen waren, mal zusammen bei mir gekocht und mal – shame on me – zeitweise auch mein Bett geteilt hatten, keinerlei Anstalten, sich von seiner Freundin (die ich übrigens nie persönlich kennengelernt hatte) zu trennen. Anscheinend war sie nett und unkompliziert genug, um mit ihr eine Langzeitbeziehung zu führen. Aber nicht spannend genug, um parallel keine anderen Frauen (mich) zu treffen. 

„Ich kann mich nicht einfach trennen“, sagte Julian irgendwann, als ich zwei Monate nachdem wir uns mal mehr, mal weniger häufig, außerhalb der Uni getroffen hatten, fragte, wie er sich das eigentlich alles vorstellte. „Maries Papa hat Krebs. Ich kann sie jetzt nicht hängen lassen.“  

Sie konnte er nicht hängen lassen, mich aber sehr wohl. Denn Affäre zu sein, fühlte sich für mich zumindest nicht gut an. Es mag sein, dass es Frauen gibt, die diese Mischung aus Freiheit und Aufregung toll finden und denen diese wohl dosierte Zuneigung reicht.

Mir nicht.   

Das Schöne an einer Beziehung ist doch, dass man mehr hat, das einen verbindet, als nur schöne Kochabende mit einem guten Wein und Sex. Eine Beziehung ist Verbindlichkeit, Vertrauen. Jemand, der einen unterstützt und für einen da ist, wenn es einem schlecht geht, und nicht jemand, der nachts sein Handy ausschaltet, aus Angst, du könntest anrufen.  

Der eigentliche ‚Betrug‘, wenn wir fremdgehen, ist für mich deshalb auch nicht der Sex mit einer anderen Person. Ja, beim Sex werden Bindungshormone wie Oxytocin ausgeschüttet, weshalb Geschlechtsverkehr sicherlich verbindlicher ist, als sich mit anderen Personen zum Kaffee zu verabreden. Und dennoch: Wenn man sich die Eifersuchtsdramen anschaut, die Sex außerhalb der Beziehung verursachen, möchte man meinen, dass wir darum dann doch etwas viel Theater veranstalten. Als wäre Sex heilig. Auch in Zeiten, in denen schon 14-Jährige Pornos konsumieren und Menschen sich innerhalb der sozialen Netzwerke zum Sex verabreden können, ist Sex zumindest offiziell immer noch das Besondere, das Intime, wodurch sich eine Liebesbeziehung von anderen Bindungen unterscheidet.  Unser Liebeskonzept, ein romantisches Liebesideal, in dem es nur Platz für „den Einen“ oder „die Eine“ gibt, lässt keinen Platz für Seitensprünge. Das mag man insgeheim schade finden, oder besser, darüber reden, wie man selbst seine Partnerschaft leben will.  


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